EIN TAGESAUSFLUG NACH BRÜNN

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Alle Wege führen nach Brno. So könnte man meinen, weisen doch zahlreiche Straßenschilder in Wien den Weg in Tschechiens zweitgrößte Stadt. Vielleicht steht deshalb Brünn schon lange auf unserer Reiseliste.

St. Peter und Paul Kathedrale

Wie zu kuk Zeiten reisen wir mit dem Schnellzug nach Brünn. Um 7.09 Uhr fahren wir vom Wiener Hauptbahnhof los und stehen nach 90 Minuten am Hauptbahnhof von Brno. Von hier ist es ein Katzensprung in die Innenstadt.

Von unbezahlten Rechnungen und gefährlichen Drachen

Altes Rathaus

Nach einem schnellen Frühstück in einem der zahlreichen Lokale am Krautmarkt, beginnen wir unseren Stadtrundgang beim „Alten Rathaus“ mit seinem 63 m hohen auffälligen Turm. Dieser erinnert uns ein wenig an die „Kollegen“ in Retz oder Znaim.

Altes Rathaus

Das modern wirkende Eingangsportal entwarf Meister Pilgram. Fünf schlanke Türmchen zieren das spätgotische Portal, wobei ein Türmchen aus dem Rahmen fällt. Es ist nämlich krumm. Als sich die Ratsherren weigerten Pilgram angemessen für seine Arbeit zu entlohnen, errichtete er das Türmchen aus Rache – direkt über der Allegorie der Gerechtigkeit – schief.

Brünner Drache

Im Durchgang des Rathauses stoßen wir auf den „Brünner Drachen“, in Wahrheit ein ausgestopftes Krokodil. Einst versetze der Drache Brünn in Angst und Schrecken, bis er mit einer List erlegt werden konnte. Findige Bewohner wickelten ungelöschten Kalk in eine Kuhhaut und legten diese als Lockmittel aus. Tatsächlich verschlang der Drache den Köder. Als das Ungeheuer auch noch Wasser trank, wurde der Kalk gelöscht und der Drache zerplatzte.

Festung Spielberg

Genug der Legenden, widmen wir uns der Aussicht vom Rathausturm. Die ist übrigens phantastisch. Gemeinsam mit der gotischen Kathedrale prägt die Festung Spielberg die Silhouette der Stadt. Einst als Festung errichtet, wurde Spielberg unter Joseph II zum Kerker für die gefährlichsten Verbrecher der Donaumonarchie umgebaut. Heute ist Spielberg ein beliebtes Ausflugsziel der Brünner.

Herkules und der nackte Mozart

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Es geht zurück zum Krautmarkt, der nur paar Schritte vom Alten Rathaus entfernt ist. Auffallend der barocke Parnas-Brunnen, der nach den Plänen Fischer von Erlachs errichtet wurde. Der Brunnen zeigt Herkules im Kampf mit Cerberus und anderen Ungeheuern.

Krautmarkt

Rund um den Brunnen verkaufen bereits seit dem Mittelalter Bauern aus der Umgebung Obst, Gemüse und Blumen. Ein farbenprächtiges Bild, dass wir uns auf keinem Fall entgehen lassen.

Mozartdenkmal am Krautmarkt

Originell auch die Statue des elfjährigen Mozarts, der splitternackt auf den Krautmarkt hinab blickt.

Warum Brünner bereits um 11 Uhr Mittagspause machen

Krautmarkt

Wir überqueren den Platz und wenden uns der St. Peter und Paul Kathedrale zu. Die Kirchenglocken der Kathedrale schrieben einst Weltgeschichte.

St. Peter und Paul Kathedrale

Während des Dreißigjährigen Krieges belagerten schwedische Truppen seit Wochen erfolglos die Stadt. Frustriert befahl General Torstenson einen letzten großen Angriff. Bis 12 Uhr wollte er die Stadt erobern oder den Rückzug antreten.

Kolonnade im Denis Park

Davon bekamen die Verteidiger Wind. Als die Kämpfe besonders heftig tobten, läuteten die Turmwächter das Mittagsgeläut bereits um 11 Uhr. Die Finte gelang, die Schweden zogen ab. Die Tradition um 11 Uhr bereits Mittag zu läuten ist übrigens bis heute erhalten geblieben.

Das Herz von Brünn

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Nach einer kurzen Besichtigung der Kathedrale spazieren wir die Masarykstraße entlang, die uns zum Freiheitsplatz führt. Bürgerhäuser aus den verschiedensten Stilepochen säumen diesen. Erstaunen löst ein sechs Meter hoher Obelisk aus.

Freiheitsplatz

Die Brünner vergleichen diesen mit einer Rakete, einer Patrone oder einem gigantischen Phallus-Symbol. Dahinter versteckt sich jedoch eine astronomische Uhr, die an die legendäre Belagerung von Brünn erinnern soll.

Meister Pilgram und sein Schabernack

Jakobskirche

Schon von weitem sehen wir den Turm der Jakobskirche mit der unverkennbaren Nadelspitze. Am Bau des Gotteshauses hat ebenfalls Meister Pilgram mitgewirkt. Und wie schon beim krummen Türmchen am Alten Rathaus hat sich auch hier der Meister einen kleinen Schabernack einfallen lassen.

Jakobskirche

Wer genau schaut, kann einen Zwerg entdecken, der sein nacktes Hinterteil den Vorbeigehenden entgegenstreckt.

Freiheitsplatz

Das Viertel rund um die Jakobskirche ist recht stimmungsvoll und lockt mit zahlreichen Lokalen zum Verweilen ein. Eigentlich eine gute Gelegenheit ein verspätetes Mittagessen einzunehmen. Wir entscheiden uns für ein Svíčková na smetaně, einem Lendenbraten mit Knedlíky und dicker Rahmsauce. Und dazu gibt es natürlich ein Starobrno Bier. Na zdraví!

Moderne Architektur der 20er Jahre

Janáček-Theater

Frisch gestärkt geht es am Janáček-Theater vorbei, dessen Errichtung einer Odyssee glich. Die ersten Pläne für den Bau des Gebäudes gab es bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach einem langwierigen Entscheidungsprozess wurde das als Opernbühne dienende Theater im Stil des Funktionalismus im Jahr 1965 endlich eröffnet.

Villa Tugendhat

Wesentlich kürzer war die Bauzeit der Villa Tugendhat, dem nächsten Ziel unseres Rundganges. Innerhalb von 14 Monaten errichtete der Architekt Ludwig Mies van der Rohe für das Unternehmer-Ehepaar Fritz und Grete Tugendhat in den Jahren 1929 und 1930 ein einzigartiges Gesamtkunstwerk, das als Meilenstein der modernen Architektur gilt.

Villa Tugendhat

Berühmt für seine revolutionäre Nutzung von Raum und industriellen Baumaterialien, wurde das Gebäude 2001 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Villa Tugendhat

Begonnen hat die Geschichte der Villa Tugendhat mit einer Hochzeit. Der wohlhabende Tuchfabrikant Alfred Löw-Beer schenkte anlässlich dieses freudigen Ereignisses seiner Tochter Grete einen Teil des eigenen Gartens als Baugrundstück und finanzierte – als Vorauszahlung auf ihr Erbe – auch den Bau der Villa. Die Baukosten des Wohnhauses mit einer Nutzfläche von 1.250 m² waren enorm und lange galt die Villa als das teuerste Einfamilienhaus weltweit.

Villa Tugendhat

Allein für den Preis der freistehenden Wand aus kostbarem Onyx-Marmor, die keine statische Funktion hat und nur der Abtrennung des Arbeits- und Lesebereiches vom Wohnbereich dient, hätte man damals ein ganzes Einfamilienhaus errichten können. Als Novum im Wohnungsbau galt auch, dass die Villa in Stahlskelettbauweise errichtet wurde, bei der es keine tragenden Wände gibt. Dank der großflächigen Verglasung es Wohnbereichs konnten die Tugendhats einen panoramahaften Ausblick auf die Brünner Altstadt genießen.

Villa Tugendhat

Doch dann kam das 1938er Jahr. Als jüdische Familie gelang den Tugendhats rechtzeitig vor den Nazis aus der Tschechoslowakei über die Schweiz nach Venezuela fliehen. Nach den Nazis besetzen die Russen die Villa und nutzen sie als Pferdestall. Danach dienten die Räumlichkeiten der Villa als private Ballettschule und Rehabilitationsabteilung eines Kinderkrankenhauses.

Villa Tugendhat

1963 wurde die Villa unter Denkmalschutz gestellt und 1994 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In die Weltgeschichte ging die Villa ein, als hier im Jahr 1992 der Vertrag über die Teilung der Tschechoslowakei unterzeichnet wurde.

Hinweis:
Der Besuch dieses einzigartigen Bauwerks gehört schon fast zum Pflichtprogramm eines Brünn-Besuches. Jedoch muss man die Führung durch die Villa unter www.tugendhat.eu bereits monatelang im Vorhinein buchen!

Villa Beer-Löw

Wer keine Führung durch die Villa rechtzeitig ergattern kann, dem bleibt als kleines Trostpflaster die Besichtigung der Jugendstil-Villa Löw-Beer, welche einst die Eltern von Greta Tugendhat bewohnten und die sich im unteren Bereich des Grundstücks der Villa Tugendhat befindet.

Häuserfronten

Es gäbe noch viel mehr in Brünn zu entdecken, doch leider müssen wir zurück zum Bahnhof um unseren Zug nach Wien rechtzeitig zu erreichen.

Unser Fazit

Jugendstilfassade

Brünn ist auf alle Fälle einen Tagesausflug wert. Gotik, Barock und Jugendstil prägen Brünn, aber auch die moderne Architektur der zwanziger und dreißiger Jahre. Bei unserem nächsten Besuch müssen wir noch unbedingt die Festung Spielberg besuchen, die unterirdische Stadt unter dem Krautmarkt oder die Mumien im Kapuzinerkloster. Und natürlich sollten wir uns rechtzeitig um Karten für eine Führung durch die Villa Tugendhat kümmern.

FOTOALBUM
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einem Ausflug nach Brünn inspirieren konnten. Noch mehr Fotos zu diesem Ausflug findet Ihr im Fotoalbum unter: EIN STADTSPAZIERGANG DURCH BRÜNN