DER WIENER UND DER TOD – EIN SPAZIERGANG AM ZENTRALFRIEDHOF

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Der alte jüdische Friedhof am Zentralfriedhof ist eine wildromantische Oase. Ein mystischer Ort, der zu einem ausgiebigen Spaziergang einlädt. Doch vorher steht noch ein Besuch der Ehrengräber und der Luegerkirche am Programm.  

Der Wiener Zentralfriedhof

Ehrengräber am Zentralfriedhof

“Wenn ma da so drunt liegt, freut ma sich, wann’s Grablaternderl leucht”

Es lebe der Zentralfriedhof, Wolfgang Ambros

An keinem Ort der Welt kann man so vielen Prominenten, so nah sein, wie am Zentralfriedhof.

Ehrengräber am Zentralfriedhof

Von André Heller als “Aphrodisiakum für Nekrophile” bezeichnet, fanden am zweitgrößten Friedhof der Welt berühmte Schauspieler, Schriftsteller, Musiker, Wissenschaftler oder Politiker ihre letzte Ruhestätte.

Ehrengräber am Zentralfriedhof

In Wien musst’ erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang!

Helmut Qualtinger

Dazu zählen Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Johann Strauß, Robert Stolz, Josef Hoffmann, Franz Werfel, Adolf Loos, Udo Jürgens, Falco, Paul Hörbiger, Hans Moser, Hedy Lamarr, Franz West oder Bruno Kreisky. Die Aufzählung ließe sich bis in die Ewigkeit fortsetzen.

Ehrengräber am Zentralfriedhof

Seit jeher hat der Wiener eine besondere Beziehung zum Tod. Sentimental morbide Wiener Lieder, wie “Der Tod, das muss ein Wiener sein” von Georg Kreisler oder “Es wird a Wein sein, und mir wer’n nimmer sein” von Ludwig Gruber, zeugen davon.

Luegerkirche am Zentralfriedho

Der typische Wiener Tod wäre es, sich nach zwei Stelzen und ein paar Bier vor die Liliputbahn zu werfen!

Andreas Vitasek, Kabarettist

“A schöne Leich”, ein prachtvolles Begräbnis mit Pompfüneberer und großer Trauergemeinde, zählt für Wiener noch heute zum krönenden Abschluss eines Lebens. Dafür werden auch gerne die letzten Ersparnisse geopfert, sehr zum Missfallen der Erben.

Luegerkirche am Zentralfriedho

Und wonn i stirb, bitt´schön, möcht ich a Reblaus wieda werdn!

Die Reblaus, hans Moser

Während man rund um die Ehrengräber und die Luegerkirche, dem prachtvollen Jugendstilbau von Max Hegele, stets auf zahlreiche Besucher trifft, herrscht bei Tor 1 Ruhe und Stille.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

Wann i amal stirb, müß’n mi’ die Fiaker trag’n und dabei Zithern schlag’n!

Allweil fidel, Heurigenlied

Hier befindet sich der alte jüdische Friedhof mit den Ehrengräbern von Arthur Schnitzler, Friedrich Torberg und Oscar Bronner. Nur wenige Besucher verirren sich in diesem fast unbekannten Winkel des Zentralfriedhofs her. Der alte jüdische Friedhof verzaubert mit einer romantischen und mystischen Atmosphäre.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

Abseits des Hauptwegs führen schmale Pfade durch einen lichten Wald mit verwitterten Grabsteinen, deren Inschriften kaum mehr zu lesen sind. Viele davon sind umgefallen und werden von goldgelbem Herbstlaub bedeckt. Auf manchen Grabsteinen kann man Symbole, wie einen Hirschen oder den siebenarmigen Leuchter, entdecken. Diese sollen auf den Namen, das Geschlecht oder den Beruf des Verstorbenen hinweisen.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

Und auf mei’m Grabstein, da soll steh’n … a echt’s Weaner Kind, a Fiaker wie man’ net alle Tag find’.

Fiakerlied, Paul Hörbiger

Am Hauptweg erheben sich mächtige Gruftanlagen. Der Zahn der Zeit nagt an ihnen. Efeu, Dornengestrüpp und wilder Wein ranken sich um diese pompösen Grabanlagen. Metallene Grabbegrenzungen rosten vor sich hin. Manchmal trifft man auf Rehe, Hasen und Fasane.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

1879 wurde der jüdische Friedhof bei Tor 1 eröffnet. Bis 1916 fanden rund 80.000 Verstorbene hier ihre letzte Ruhestätte. Dann war dieser Bereich ausgelastet. In Folge wurde am östlichen Ende des Zentralfriedhofs ein weiterer jüdischer Friedhof errichtet. In den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs verursachten Fliegerbomben und Kampfhandlungen schwere Schäden am alten jüdischen Friedhof. Mehr als 3.000 Grabstätten wurden dabei zerstört.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

In den folgenden Jahrzehnten verwilderte der alte jüdische Friedhof zusehends. Erst um die Jahrtausendwende begann man beschädigte Gräber zu restaurieren und Grabinschriften zu erneuern. Es gibt kaum Nachfahren, die die Gräber betreuen könnten. Viele starben in Konzentrationslagern oder konnten gerade noch rechtzeitig fliehen. Die wenigen Besucher des alten jüdischen Friedhofs legen statt Blumen kleine graue Steine auf das Grab, ein alter jüdischer Brauch.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

Das der alte jüdische Friedhof noch erhalten ist, verdanken wir den Umstand, dass jüdische Gräber „Häuser der Ewigkeit“ sind. Diese dürfen niemals aufgelöst, verlegt, bebaut oder neu belegt werden.

Fazit

Ein absolut sehenswerter Spaziergang durch die Totenstadt der Wiener mit dem Who-is-Who der österreichischen Prominenz und einem beschaulichen Rundgang durch den alten jüdischen Teil des Zentralfriedhofs.