Dieser Wienerwald-Rundwanderweg führt Euch von der prächtigen Kartause Mauerbach zur Leopold-Figl-Warte am Tulbingerkogel, wo ihr einen beeidruckenden Blick über das Tullnerfeld bis weit in das Weinvierteil hinein genießen könnt.
Adalbert Stifter am Weg zum Tulbingerkogel
»Mauerbach ist ein Mittelpunkt der reizendsten Ausflüge, die sich namentlich für den Hochsommer eignen, da man immer in Wäldern bleibt«, heißt es im Wanderführer »Wien’s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise«, der 1835 erschienen ist. Auch der Schriftsteller Adalbert Stifter begeisterte sich für den Wienerwald rund um Mauerbach. Besonders faszinierte ihn jedoch die wundervolle Fernsicht von der alten Holzwarte am Gipfel des Tulbingerkogels. Seine Wanderbeschreibung und sein Leben wird uns auf der rund 13 km langen Tour begleiten.
Die Kartause Mauerbach
Vom Parkplatz bei der Kartause Mauerbach gehen wir zum Eingang der ehemaligen Klosteranlage, die im Jahre 1313 von Friedrich dem Schönen gegründet und 1782 von Joseph II aufgelassen wurde. Die Kartause Mauerbach zählte jahrhundertelang zu den kulturellen Zentren des Landes.
Der Legende nach hatte sich Friedrich bei einem Jagdausflug hoffnungslos im Wienerwald bei Mauerbach verirrt. Erst Tage später traf er einen Holzknecht, der ihn vor dem Hungertod bewahrte. Aus Dank für seine Errettung griff der Herzog in seine Privatschatulle und ließ die Kartause errichten.
Die Kartause blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1529 und 1683 plünderten die Türken die Klosteranlage. 1590 brachte das schwere Erdbeben von Neulengbach große Teile der Kartause zum Einsturz. Zwischendurch schaute der »Schwarze Tod« vorbei und raffte die meisten Mönche dahin.
1782 wurde das Kloster von Joseph II aufgehoben, da die Kartäuser ihren Lebensinhalt nur im Schweigen und Gebet sahen, jedoch nichts zum Wohle der Allgemeinheit beitrugen. Danach diente die Kartause lange Zeit als Siechenanstalt, Spital und Obdachlosenheim.
Von 1966 bis 1994 lagerte im Kloster der berühmte Mauerbach-Schatz. Dieser enthielt Kunstwerke und andere Restitutionsgüter, die in der NS-Zeit für das geplante Kunstmuseum in Linz den damaligen jüdischen Besitzern abgepresst wurden. Seit 1984 wird das Kloster vom Bundesdenkmalamt schrittweise restauriert.
Besonders sehenswert ist der Kreuzgang, der zu den längsten Europas zählt.
Hinweis Öffnungszeiten
Die Kartause ist von Mai bis September jeweils Samstag, Sonntag und Feiertag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Von Mauerbach bis zur Milleniumseiche
Nach der Besichtigung der Kartause queren wir die L 121 und folgen dem Wanderweg No 3, der uns durch die Bäckerstraße hügelaufwärts führt. 3, 16, 4, 1, 19 und die 21! Was wie die gezogenen Gewinnzahlen der sonntäglichen Lottoziehung klingt, sind in Wahrheit die Nummern jener Wanderwege, ihr Euch bei dieser Rundtour zum Tulbinger Kogel merken müsst.
Adalbert Stifter, der im 1844 den Ausflugsführer » Wien und die Wiener« mitverfasste, beschrieb den Aufstieg zum Tulbingerkogel mit den Worten »Vom Ort Mauerbach steigt man auf äußerst sanften Fußpfaden halb über grünen Weidengrund, halb zwischen verstreuten Bäumen, halb zwischen Gebüsch und Wald hindurch, allmählich empor«.
Adalbert Stifter, 1805 in Böhmen geboren, zählt zu den bedeutendsten Autoren des Biedermeier und gilt als Meister von Naturbeschreibungen. Doch seine epische und detailreiche Beschreibung der Natur brachten ihm den zweifelhaften Rufs eines Blumen- und Käferpoeten ein.
Bis zur Milleniumseiche führt der Weg leicht ansteigend durch den Sonnenwald. Nach der eher unspektakulären Milleniumseiche erreichen wir schon bald danach eine breite Forststraße, der wir bis zur ihrer Einmündung in die L 2128 für rund 1,8 km folgen (Weg 3, 16 und 4).
Auf dieser »Wanderautobahn« herrscht eine wohltuende Einsamkeit. Buchfink, Drossel und Rotkehlchen liefern sich einen musikalischen Wettstreit. In der Ferne klopft ein Buntspecht. Nur am Ende dieses Streckenabschnitts stört der satte Klang von 750 ccm Motoren die idyllische Waldesruhe. Besonders bei »Organspender-Wetter« zählt die Straße über den Tulbingerkogel aufgrund ihrer flotten Kurven zu den beliebtesten Motorradstrecken.
Im Jammertal
Am Ende der Forststraße queren wir L2128 und folgen nun dem Wanderweg No 1. In den Karten trägt diese Gegend den Namen »Jammertal«. Hierher flüchteten im Jahre 1529 die Bewohner der umliegenden Dörfer vor den herannahenden Türken. Ausgerüstet mit ausreichendem Proviant hofften die braven Christen, dass die Osmanen sie nicht entdecken würden.
Doch welch ein Jammer! Ausgerechnet als ein Trupp türkischer Freischärler vorbeiritt, verriet ein Hahn mit seinem lauten Krähen das Versteck der Geflüchteten. Die Türken machten kurzen Prozess und metzelten Männer, Frauen und Kinder nieder. Noch heute erinnert ein Marterl an das grausame Ereignis von damals.
Die Leopold-Figl-Warte am Tulbingerkogel
Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, beim Wanderweg No 1, der uns direkt zum »Berghotel Tulbingerkogel« führt. Von hier ist es nur mehr ein Katzensprung zur » Leopold-Figl-Warte«. Der Aussichtsturm auf dem 494 m hohen Tulbingerkogel wurde Mitte der 1960er Jahre nach einem Entwurf von Clemens Holzmeister in Stahlbetonbauweise erbaut.
Gewidmet ist die Warte dem »Vater des Staatsvertrages« Leopold Figl, der im Tullnerfeld geboren wurde. Die Legende berichtet, dass Figl den russischen Außenminister Molotow während der Staatsvertragsverhandlungen »unter den Tisch« getrunken hatte und so den Weg für Österreichs Freiheit ebnete.
Als Adalbert Stifter den Tulbingerkogel erklomm, stand hier eine alte, wackelige Holzwarte. Der Panoramablick, der sich für Stifter bot, pries er in den höchsten Tönen, »Außer dem Gipfel des Schneeberges wird es wenig Punkte geben, auf denen es eine schönere Aussicht gibt«.
Er sah nicht nur Schneeberg, Ötscher und die »Riesenschlange der Donau«, sondern auch das »Stifte Göttweig, von dem man fast die Fenster zählen könnte«. Übermütig wollte er » auf die Stadt Tulln mit einem Steine hinwerfen« und »das große Tullnerfeld stellte sich ihm wie ein Mosaik dar«, so klein erschienen ihm die einzelnen Felder.
Davon sehen wir heute leider gar nichts. Während der Blick Richtung Schneeberg durch hochgewachsene Bäume mittlerweile stark eingeschränkt ist, lag über dem Tullnerfeld eine Dunstwolke, die uns den Blick ins Weinviertel versperrte.
Der Rückweg über Hainbuch
Wir haben nun lange genug auf der Warte geweilt. Des Schauens müde, machen wir uns auf den Rückweg. Wanderweg 1 gibt uns die Richtung nach Hainbuch und den Hirschberg vor.
»Am Fuße alter, hochragender Buchen und knorriger Eichen gedeihen Leberblümchen, Vergissmeinnicht und all die anderen Lenzensboten. Junge Bärlauchblätter durchdringen bereits den Schoß des kräftigen Waldbodens und verströmen den balsamischen Wohlgeruch von Knoblauch«, so oder so ähnlich hätte Stifter wohl diesen Wegabschnitt beschrieben.
Adalbert Stifter, der aus einfachen Verhältnissen stammte, übersiedelte im Herbst 1826 nach Wien um Jus zu studieren. Nachdem er sein Studium 1830 ohne Abschluss abbrach, finanzierte er sein Leben durch Privatunterricht als Hauslehrer, wodurch er Kontakte zur Wiener Gesellschaft knüpfen konnte. In diese Zeit fallen auch seine ersten dichterischen Versuche, die von den »Weimarern« Goethe und Herder beeinflusst sind.
1833 lernt Adalbert Stifter die Hutmacherin Amalia Mohaupt bei einem Hausball kennen, deren Reize Stifters Aufmerksamkeit erregen. Als die Tanzgesellschaft zur vorgerückten Stunde aufbrechen wollte und kein Fiaker aufzutreiben war, erklärte sich Stifter sofort bereit Amalia und ihre Anstandsdame sicher nach Hause zu begleiten.
Einer Anekdote weiß zu berichten, dass Amalia dem Schriftsteller ihre Ballschuhe anvertraute, die er in seiner Manteltasche verstaute und beim Abschied »zufällig« zu übergeben vergaß. Natürlich musste dieses Missgeschick behoben werden.
Mit großer Freude brachte er der Eigentümerin die Schuhe zurück, flirtete mit ihr, dass sich die Balken bogen und empfahl sich wieder. Diese Besuche wiederholten sich und so kam es, wie es kommen musste, im Jahr 1837 schleppte Stifter seine Amalia vor den Traualtar.
Trotz einiger literarischer Veröffentlichungen blieb das Geld im Hause Stifter anfangs knapp. Nicht nur einmal klopfte der Gerichtsvollzieher an die Tür. Der literarische Durchbruch gelang Adalbert im Jahr 1840 mit der Erzählung »Der Condor«. Zahlreiche weitere Erzählungen, wie »Der Hochwald«, »Der Bergkristall« oder »Witiko« folgten.
Vorbei am Ausflugslokal »Waldschenke« und am »Gasthaus Radlherr« folgen wir noch für rund 600 m dem leicht bergauf führenden Wanderweg 1 um danach auf den 19er zu wechseln, der entlang des Mauerbaches talwärts verläuft. Stifter hätte die Gunst der Stunde genutzt und wäre in eines der beiden Lokale eingekehrt, galt doch der Dichter als übermäßiger Esser und Trinker.
Sein Speisezettel soll täglich sechs Mahlzeiten umfasst haben. So konnte sein Gabelfrühstück durchaus aus einem Schnitzel mit Erdäpfelsalat bestehen. Von einer schweren Leberzirrhose geplagt, schnitt sich Adalbert Stifter am 26. Jänner 1868 mit einem Rasiermesser die Halsschlagader auf.
Zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen. Der Selbstmord blieb in der Todesurkunde unerwähnt, da er als Selbstmörder nicht in »geweihter Erde« bestattet hätte werden dürfen. Sein Grab befindet sich auf dem St Barbara-Friedhof in Linz.
Entlang des Mauerbachs zurück zum Ausgangspunkt
Bevor der Weg 19 in Weg 4 mündet, durchquert er noch das Gebiet des Pitzelsdorfer Waldes, wo sich einst die Siedlung Pitzelsdorf befand. Heute ist von diesem kleinen Ort nichts mehr zu sehen, da er im Jahr 1683 von den Türken gebrandschatzt und völlig zerstört wurde.
Dem 4er folgen wir nur für gute 100 m und wechseln dann auf den Weg No 21, der uns über den Friedhof direkt zum Ausgangspunkt bei der Kartause Mauerbach zurückbringt. Wir hoffen, die Tour hat Euch gefallen und wir wünschen Euch viel Spaß beim »Nach«Wandern. Zum Abschluss noch ein Tipp aus dem bereits erwähnten Reiseführer aus dem Jahre 1835 für die wandernde Damenwelt, »bei einer Fahrt nach Mauerbach nie den Mantel vergessen, denn nach Sonnenuntergang tritt in diesem Thale immer eine bedeutende Kühle ein, die man in anderen Gegenden um Wien nicht in dem Grade findet!«.
Hinweis: Wer die Wanderung nach einer längeren Regenperiode unternimmt muss stellenweise mit viel Schlamm rechnen und benötigt entsprechendes festes Schuhwerk.
FOTOALBUM
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einer Wanderung zum Tulbingerkogel inspirieren konnten. Noch mehr Fotos zu dieser Wanderung findet Ihr im Fotoalbum unter: Von der Kartause Mauerbach zum Tulbingerkogel