Als wir in einem Reiseführer lasen, dass Conan Doyle, der geistige Vater von Sherlock Holmes, in Feldkirch für ein Jahr zur Schule ging, begaben wir uns auf Spurensuche. Ein Stadtportrait der anderen Art.
September 1875 – Vor dem Eingangstor der ehrwürdigen “Stella Matutina” steht ein 16-jähriger Junge im Inverness-Mantel und einer karierten Schirmmütze. Sein Name: Arthur Conan Doyle, der geistige Vater von Sherlock Holmes und Dr. Watson. Ein Jahr lang wird an diesem elitären Jesuitengymnasiums – heute das Vorarlberger Landeskonservatorium – sein Deutsch perfektionieren.
Er findet rasch Freunde unter den “aborigines”, wie er die Einheimischen in den Briefen an seine Mutter nennt und engagiert sich im schulischen Bereich. Doyle nimmt an Sportveranstaltungen teil, spielt im Schulorchester die Riesentuba und gründet die Schulzeitung “The Feldkirchian Gazette”, für die er zahlreiche Kurzgeschichten schreibt. Vielleicht erblickte ja Holmes und Watson in einer der Geschichten bereits das Licht der Welt.
Die Alpen sind wunderschön, und ich denke, die Stadt ist nett!
Arthur Conan Doyle in einem Brief an die Mutter 1875
Es ist auch durchaus möglich, dass Doyle die eine oder andere Sage, die er in Feldkirch von seinen Schulfreunden erzählt bekam, in seinen Romanen verarbeitete.
Basiert gar der “Hund von Baskerville” auf der Höllenfahrt des Dr. Faust? Der Alchemist war auf der Durchreise in der Marktgasse 4 neben der Johanniterkirche abgestiegen, als ihm in der Nacht der Teufel mit Blitz und Donner in die Hölle holte. In Doyles Geschichte wurde aus dem Teufel ein dämonischer Geisterhund mit glühenden Augen, der seine Opfer auf Nimmerwiedersehen verschleppte.
Nach dem Unterricht streifte der junge Doyle mit seinen Schulfreunden gerne durch die Marktgasse. Nicht um die zahlreichen schönen Bürgerhäuser zu bewundern, sondern ein fachmännisches Auge auf die hübschen Mädchen der Stadt zu werfen.
Erheitert hätte Doyle die Wandmalerei am Gasthof Lingg. Diese entstand jedoch erst rund 15 Jahre nach Doyles Aufenthalt und sorgte für große Aufregung. Die Wandmalerei zeigt nämlich lauter nackte Knaben, die sich dem “dolce-vita” hingeben. Ein Skandal sondergleichen. Umgehend mussten den kleinen Nackerbatzerln Kleider aufgemalt werden. Erst bei der Restaurierung 1969 durften sie wieder ihre Hüllen fallen lassen.
Mächtig und düster thront die Schattenburg, das Wahrzeichen Feldkirchs, über der Stadt. Sie gilt als größte und besterhaltene Burg Vorarlbergs. Hier hatten die Montforter Grafen im Mittelalter ihren Stammsitz. Zurzeit von Doyle führte die Schattenburg aber bereits ein Schattendasein als Ruine.
Durch einen Schulfreund erfuhr Doyle die Legende von Ida. Diese galt vor langer Zeit als schönste Frau Vorarlbergs und lebte auf der Schattenburg. Heute würde man Ida als Luxus-Callgirl bezeichnen, die sich von ihren zahlreichen adeligen Verehrer aushalten ließ. Vielleicht hatte Doyle die Gestalt der Ida im Hinterkopf, als er die Figur der Irene Adler im Roman “Ein Skandal in Böhmen” schuf.
Auch Irene verdreht zahlreichen Adeligen den Kopf um sie anschließend mit kompromittierenden Fotos zu erpressen. Eines der Opfer ist der König von Böhmen. Dieser beauftragt Sherlock Holmes, das Foto zu beschaffen und zu vernichten. Doch Irene Adler gelingt es, das Foto in Sicherheit zu bringen und sich selbst ins Ausland abzusetzen.
Mit seinen Mitschülern verbrachte Doyle viele feuchtfröhliche Stunden im Gasthaus Löwen, für welches schon 1726 das erste Wirtshausschild angefertigt wurde. Dort spricht er besonders dem “deutschen” Leichtbier zu. Schwer vorstellbar, dass Doyle nach “oas, zwo, drü, vier, fünf, seggs, siebo Gläsle” problemlos nach Hause fand.
In seinen Briefen an die Eltern beschreibt Doyle auch den Dom, die bedeutendste gotische Kirche Vorarlbergs. Nachdem der Dom durch den großen Stadtbrand von 1460 erheblich beschädigt wurde, beauftragte die Stadt Baumeister Hans Sturn mit dem Neubau. Der Legende nach erlebte Sturn die Einweihung des Doms nicht mehr.
Die Angst, dass das Domgewölbe bei Abbau der Baugerüste zusammenfallen könnte, trieb den Baumeister in den Wahnsinn. In seiner Verzweiflung stürzte er sich in die Ill und ward nicht mehr gesehen. Für den jungen Doyle ein wunderbar “krankes” Ende einer Legende. Doch verarbeitete Doyle diese Legende gar in seinem Roman “Das letzte Problem”?
In dieser Geschichte kommt zum Kampf auf Leben und Tod zwischen Sherlock und seinem Erzfeind Moriarty, bei dem sie schließlich gemeinsam in die Reichenbachfälle stürzen. Während man die Leiche von Moriarty bald entdeckt, wird jene von Holmes nie gefunden. Wie sich später herausstellt, nutzte der Meisterdetektiv die Gunst der Stunde, inszenierte seinen eigenen Tod und konnte sich so in Ruhe vor den Spießbuben Moriartys in Sicherheit bringen.
Nach so viel sherlockholmesieren ist es Zeit für einen Kaffee. Unseren Besuch von Feldkirch lassen wir im Schatten des Churer Tors im gemütlichen Café Zanona ausklingen. In diesem klassischen Kaffeehaus im Altwiener Stil rekapitulieren bei Kaffee und Kuchen unsere Eindrücke über Feldkirch. Und eines ist recht rasch gewiss – dies war nicht unser letzter Besuch der alten Montfortstadt.
NOCH MEHR FOTOS ZUR INSPIRATION?
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einem Stadtspaziergang durch Feldkirch inspirieren konnten. Noch mehr Fotos zu unserer “Sherlock Holmes”-Tour findet Ihr im Fotoalbum unter: FELDKIRCH – AUF DEN SPUREN VON SHERLOCK HOLMES