Ihr erfahrt in diesem Beitrag die perfekte Route für einen Stadtspaziergang, entdeckt die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Wismar und gönnt Euch zum Abschluss ein Fischbrötchen im Alten Hafen.
Wismar – Zuerst ein wenig Geschichte im Zeitraffer
Erstmals im Jahr 1229 urkundlich erwähnt, entwickelte sich Wismar innerhalb kürzester Zeit zu einer der wichtigsten Handelsstädte an der Ostsee. Schwerbeladene Koggen transportierten Pelze und Holz aus dem Norden, Weine aus Frankreich und feinstes Tuch aus Flandern. Die mit wertvoller Fracht beladenen Handelsschiffe waren natürlich eine begehrte Beute von Piraten.
Als die Überfälle über Hand nahmen und den gesamten Seehandel lahmzulegen drohten, schlossen die Städte Wismar, Lübeck und Rostock einen Schutzvertrag gegen die zunehmende Seeräuberei ab. Aus diesem Vertrag ging später die berühmte Hanse hervor, eine Vereinigung norddeutscher Kaufleute, deren Ziel die Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen im Ausland war.
Als Mitglied der Hanse blühte Wismar im Spätmittelalter auf, was noch heute im Stadtbild durch viele prachtvolle Patrizierhäuser mit aufwändig gestalteten Fassaden und Sakralbauten im Stile der Backsteingotik erkennbar ist. Mit dem Niedergang der Hanse im 17. Jhdt verlor auch Wismar seine wirtschaftliche Bedeutung. Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam Wismar im Jahr 1648 unter schwedische Herrschaft, die offiziell erst 1903 endete.
Schwer machte Wismar der Zweite Weltkrieg zu schaffen. Mehrere wichtige Baudenkmäler wurden durch Fliegerbomben schwer beschädigt. Während zu DDR-Zeiten die Farbe »Grau« atmosphärisch dominierte und Trostlosigkeit in den Gassen von Wismar herrschte, wurden nach der Wende 1989 vieles wieder aufgebaut und aufwendig saniert. Und diese zahlreichen Schönheiten wollen wir Euch bei diesem Stadtspaziergang zeigen.
Alter Hafen
Der »Alte Hafen« mit seinen zahlreichen Parkplätzen ist ein idealer Ausgangspunkt für einen Stadtspaziergang durch Wismar. Wo zur Zeit der Hanse schwerbeladene Koggen mit Waren aus aller Welt vor Anker gingen, flanieren dieser Tage Einheimische und Touristen an Booten vorbei, die Fischbrötchen in allen Variationen feilbieten.
Überseht beim Erkunden des »Alten Hafens« auf keinen Fall das barocke Baumhaus. Der Name Baumhaus geht darauf zurück, dass früher die Hafeneinfahrt bei Nacht oder bei drohender Gefahr mit einem Baum versperrt wurde und so feindliche Schiffe nicht in das Hafenbecken einfahren konnten. Besonders fotogen sind die beiden »Schwedenköpfe« beim Eingang des Gebäudes, die einst auf Baumpfählen die Einfahrt in den Wismarer Hafen markierten.
Tipp für Fotografen
Besonders im Abendlicht habt ihr vom »Alten Hafen« einen wunderschönen Blick auf die Silhouette der Altstadt von Wismar.
Wassertor
Gerade als wir die Altstadt von Wismar durch das gotische Wassertor, welches das letzte erhaltene Stadttor der Wismarer Stadtbefestigung ist, betreten wollen, tauchen vor uns zwei furchterregende Riesengestalten auf.
Es handelt sich dabei um rund vier Meter große Figuren, die durch Puppenspieler zum Leben erweckt werden. Gekonnt spielen sie an den Originaldrehorten den Stummfilmklassiker »Nosferatu – Symphonie des Grauens« aus dem Jahre 1921 nach. Der Horrorfilm erzählt die Geschichte des Grafen Nosferatu, eines Vampirs aus den Karpaten, der sich in die schöne Ellen verliebt und Schrecken über ihre Heimatstadt Wismar bringt.
Unter der Regie von Friedrich Wilhelm Murnau entstanden zahlreiche Szenen des Filmklassikers in Wismar. Gedreht wurde am »Alten Hafen«, im Innenhof der Heiligen-Geist-Kirche und bei der Georgskirche.
Gewölbe und Grube
Nachdem wir den Puppenspielern einige Zeit fasziniert zugesehen haben, schlendern wir weiter zum »Gewölbe«, einem Fachwerkhaus, das sich ausgesprochen fotogen über die »Grube« spannt. Der im 13. Jhdt angelegte Wasserlauf diente für Jahrhunderte den Bewohnern von Wismar als Wasserversorgung und als Platz zum Wäsche waschen. Lastkähne nutzen den Wasserweg zum Transport von Getreide, Salz oder Heringen vom Hafen in die Innenstadt.
Man stelle sich vor, wie eine fleißige Hausfrau mit Aschenlauge, die verschmutze Leibwäsche einer ganzen Familie in der Grube reinigt, eine andere Küchenabfall entsorgt und eine dritte ein paar Meter weiter mit einem Krug Wasser zum Trinken entnimmt. Kein Wunder, dass im Mittelalter die Cholera fröhliche Urständ´ feierte.
Nikolaikirche
Dem Flusslauf der »Grube« folgend, erreichen wir schon bald die Nikolaikirche, die im Zeitpunkt unseres Besuches gerade umfassend renoviert wurde. Die dreischiffige Basilika gilt als Meisterwerk der Spätgotik im nordeuropäischen Raum. Das Hauptschiff ist mit 37 m Gewölbehöhe das vierthöchste Kirchenschiff Deutschlands und das zweithöchste im Stil der Backsteingotik, nach der Marienkirche in Lübeck.
Rekordartig war auch die Höhe des Kirchenturms, der mit seinem Spitzhelm eine Höhe von 120 m erreichte. Vielleicht wertete der liebe Gott diese Gigantomanie als Versuch der Menschheit, ihm gleichzukommen und ließ als Strafe dieser Selbstüberschätzung den fast 60 m hohen Turmhelm auf das Dach und Gewölbe der Nikolaikirche im Jahre 1703 stürzen. Dabei wurde die mittelalterliche Ausstattung zerstört und beim Wiederaufbau durch eine barocke ersetzt.
Schweinsbrücke
Bei der Kirche überqueren wir die Grube über die »Schweinsbrücke«, deren Brückenpfosten mit vier Schweinen verziert sind. Diese kleinen feinen Fotomotive erinnern an jene Zeiten als noch Schweine über diese Brücke zum Markt getrieben wurden. Beim Anblick dieser possierlichen Tierchen beginnt plötzlich der Wunsch nach einem Schweinsbratl oder einem Schweinsschnitzerl aufzukeimen. Kein Wunder, es ist Mittagszeit!
Schabbellhaus
Gleich neben der Schweinsbrücke steht das Schabbelhaus mit einem wunderschönen Treppengiebel im Stile der Niederländischen Renaissance. Errichtet für den Bierbrauer, Ratsherrn und späteren Bürgermeister der Stadt Wismar, Hinrich Schabbell diente das Kaufmannshaus als Wohn- und Geschäftshaus, sowie als Brauerei.
Heute befindet sich in den Räumen des Schabbellhauses, ein Museum über die »Stadtgeschichte von Wismar«, dessen Besuch wir Euch empfehlen können. Das Museum dokumentiert die Zeit der Zugehörigkeit Wismars zur Hanse bis zur Wende 1989.
Wir folgen nun der Krämerstraße, die uns sanft ansteigend in das Zentrum der Altstadt von Wismar führt. So wie viele andere Straßenzüge Wismars ist auch diese von prachtvollen historischen Häuserensembles gesäumt.
Doch das war nicht immer so, denn zu DDR-Zeiten herrschte hier eine von Grau dominierte Tristesse. Bekanntlich hat der Mythos vom Arbeiter und Bauernstaat im Jahre 1989 ein jähes Ende gefunden und schon bald darauf begann die aufwendige Sanierung der alten Bausubstanz.
Viele der wunderschönen Patrizierhäuser mit den prächtigen Giebeln stammen aus dem 15. Jhdt als die Städte der Hanse noch den Seehandel in der Nord- und Ostsee beherrschten und die Kaufleute mit dem Zählen der Goldmünzen kaum nachkamen. Die Kontore der Stadt waren randvoll mit Wachs aus Russland, Stockfisch aus Norwegen, Salz aus Lüneburg, Getreide aus Preußen oder Tuch aus Flandern.
Das wichtigste Handelsprodukt von Wismar war Bier. So gibt es historische Aufzeichnungen, dass im Jahre 1465 rund 180 Brauereien in der Stadt existieren, die geschätzte sechs Millionen Bier produzierten. Davon wurden mehr als Zweidrittel der Menge nach Holland, Flandern, England und in den skandinavischen Raum exportiert.
Der Marktplatz
Mittelerweile haben wir unser nächstes Ziel erreicht. Der 100 x 100 Meter große Marktplatz ist bereits seit dem Mittelalter das pulsierende Herz der Stadt. Am besten dreht ihr Euch einmal um die eigene Achse um die Schönheit des Platzes besser erfassen zu können. Die komplette Nordseite nimmt das klassizistische Rathaus ein, welches zwischen 1817 und 1819 errichtet wurde, nachdem der spätgotische Vorgängerbau einfach eingestürzt war.
Im südöstlichen Eck des Platzes steht die »Wismarer Wasserkunst“«, das Wahrzeichen der alten Hansestadt. Der prachtvolle Renaissance-Wasserspeicher wurde von 1579 bis 1602 zum Zwecke der Trinkwasserversorgung erbaut. Das zierliche Wasserreservoir wurde mit Hilfe von Holzrohren aus einer vier Kilometer entfernten Quelle mit Wasser gefüllt und versorgte die Stadt und öffentliche Schöpfstellen mit frischem Trinkwasser.
Wenn ihr den Brunnen genauer unter die Lupe nehmt, dann werden Euch sicherlich die zwei Bronzefiguren »Nix und Nixe« auffallen, die seit Jahrhunderten den Spitznamen »Frau- und Mannloch« tragen, weil Wasser unter ihnen herausläuft. Ziemlich frivol in Zeiten der überbordenden political correctness.
Da wir schon beim Thema »Frivol« sind. Auf der östlichen Seite des Marktes findet ihr das meistfotografierte Straßenschild in Wismar. Es erinnert an einen schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern, der einst im Volksmund den Namen »Tittentasterstraße” trug. Der Durchgang war so eng, dass wenn sich zwei Personen dort begegneten, unausweichlich mit der Brust berührten.
Nur einen Katzensprung entfernt steht das älteste Bürgerhaus der Stadt Wismar, das den Spitznamen »Alter Schwede« trägt. Das vor rund 650 Jahren errichte Gebäude im späten backsteingotischen Stil könnt ihr leicht am treppenförmigen Giebelaufbau erkennen. Der Schwedenkopf oberhalb der Eingangstür erinnert an die Zeit als Wismar unter schwedischer Herrschaft stand.
Mit einer hübschen Jugendstil-Fassade kann das Haus links vom »Alten Schweden« aufwarten, während das rechte nach Fritz Reuter benannt ist, einem bekannten deutschen Dichter, der die niederdeutschen Sprache salonfähig machte. Nachdem Ihr Euch an den zahlreichen wunderschönen Giebelhäusern satt gesehen habt, spazieren wir weiter Richtung Marienkirche.
Die Marienkirche
Nur ein paar Schritte vom Marktplatz entfernt steht die Marienkirche beziehungsweise das, was von ihr übrig blieb. Das Gotteshaus, welches zu den ältesten Bauwerken Wismars zählte, wurde in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs durch Luftangriffe stark beschädigt. Obwohl keine Gefahr für Leib und Leben bestand, beschloss die SED-Führung der DDR das Kirchenschiff unter massiven Protesten der Bevölkerung im Jahre 1960 zu sprengen.
»Ja, wir werden Türme haben, zum Beispiel einen Turm fürs Rathaus, einen Turm fürs Kulturhaus. Andere Türme können wir in der sozialistischen Stadt nicht gebrauchen«, verkündete SED-Chef Walter Ulbricht im Jahr 1953 mit sächselnder Stimme, dem jeder Kirchturm ein Dorn im Auge war.
Doch was für ein Glück für Wismar: Den 80 Meter hohen Kirchenturm der Marienkirche konnte Ulbricht aber wegen seiner Bedeutung als Seezeichen nicht in Schutt und Asche legen lassen. Die niedrigen Mauern, die ihr beim Turm sehen könnt, symbolisieren den Grundriss des ehemaligen Kirchenschiffs.
Die Georgenkirche
Nur einen Hupfer vom Turm der Marienkirche entfernt, erhebt sich die Georgenkirche über der Stadt, deren Geschichte bis in das Jahr 1295 zurückreicht. Die monumentale dreischiffige gotische Basilika ereilte im Zweiten Weltkrieg das gleiche Schicksal, wie die Marienkirche. Kurz vor Kriegsende wurde das Gotteshaus bei einem Luftangriff durch Fliegerbomben schwer beschädigt.
Obwohl das Kirchenschiff schwer zerstört war, wurde es wundersamerweise durch die DDR-Führung nicht einfach in die Luft gesprengt. Vielleicht war den »Kummerln« der Abriss einer weiteren Kirche in Wismar doch ein wenig zu heikel. So setzte man auf den Faktor Zeit und setzte den Kirchenbau einfach dem Verfall aus.
Wo einst fromme und scheinheilige Gläubige zu Gott beteten, entstand schon bald eine wilde »Gstett’n«, wo Büsche, Gräser oder Brennnesseln prächtig gedeihten und sich in den zahlreichen Mauernischen »fliegende Ratzen« – vulgo Tauben – hemmungslos vermehren konnten.
Der Einsturz eines Giebels mit Verletzten und zerstörten Häusern kurz nach der Wende gab den Anstoß das verfallene Gotteshaus wieder aufzubauen. Im Jahr 2010 wurde die Kirche mit einem feierlichen Festakt wiedereröffnet. Mit einer Länge von 78 m, einer Breite von 44 m und einer Gewölbehöhe von bis zu 35 m kann das Gotteshaus im Stile der Backsteingotik als durchaus imposant bezeichnet werden.
Von der Georgenkirche führt uns die Große Hohe Straße leicht bergab zur Lübsche Straße, wo sich unser nächstes Ziel, das ehemalige Heiligen-Geist-Hospital befindet.
Heiligen-Geist-Hospital und Kirche
Ein besonders schönes und stimmungsvolles Fleckerl in Wismar ist der Innenhof des ehemaligen Heiligen-Geist-Hospitals, welches bereits um 1250 als Armen- und Krankenhaus gegründet wurde. Die dazugehörige Kirche war leider am Tag unseres Besuches geschlossen. Sehenswert soll insbesondere die herrlich bemalte Balkendecke sein.
Mit Nosferatu haben wir unseren Rundgang durch Wismar begonnen und mit ihm wollen wir unseren Spaziergang durch die Stadt beenden. Auch im Hof des Heiligen-Geist-Hospitals entstanden einige Szenen dieses Horrorklassikers aus 1921. Eine Plakette im Boden erinnert an dieses Ereignis. Der Eingang zum Hof dient auch als Kulisse für die Serie SOKO Wismar.
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einer Reise nach Wismar inspirieren konnten. Noch mehr Fotos aus Wismar findet Ihr im Fotoalbum unter: WISMAR UND SEINE SEHENSWÜRDIGKEITEN AN EINEM TAG ZU FUSS ENTDECKEN
Für unseren Stadtspaziergang durch Wismar empfehlen wir folgende Route: Alter Hafen mit Baumhaus > Wassertor > Grube mit Gewölbe > Frische Grube > Nikolaikirche > Schweinsbrücke > Schabbellhaus > ABC Straße > Bademutterstraße > Krämerstraße > Marktplatz > Marienkirche > Georgenkirche > Große Hohe Straße > Lübsche Straße > Heiligen-Geist-Hospital