Im Jahr 2020 feierte Ludwig van Beethoven seinen 250. Geburtstag. Ein Grund für uns, einen Stadtspaziergang auf den Spuren Beethovens zu unternehmen. Unsere Tour beginnt beim Pasqualati-Haus im 1.Bezirk und führt hinaus in die ehemaligen Vororte Heiligenstadt und Nussdorf im 19. Wiener Bezirk.
Ludwig van Beethoven wird 1770 in Bonn geboren. Als 16-jähriger reist er nach Wien um bei Mozart Musikunterricht zu nehmen. Doch kaum angekommen, muss er wieder die Koffer packen. Die Mutter liegt im Sterben. 1792 der zweite Versuch. Beethoven übersiedelt nach Wien und lebt hier bis zu seinem Tod 1827.
TIPP: Ein Stadtspaziergang auf den Spuren Mozarts
Lernt Mozarts Wirkungsstätten in Wien kennen, besucht seine Wohnung in der Singerstraße und fahrt hinaus zu seinem Grab am St Marxer Friedhof. Mehr dazu im Beitrag: MOZART IN WIEN – EIN SPAZIERGANG VON DER MOZARTWOHNUNG BIS NACH ST MARX
Pasqualati-Haus
Wir stehen vor der Mölkerbastei, einem der letzten Reste der Wiener Stadtbefestigung. Diese wurde auf Befehl von Kaiser Franz Joseph 1857 abgerissen. Vor uns erhebt sich das barocke Pasqualati-Haus. Es ist nach Johann Baptist Freiherr von Pasqualati, dem Leibarzt Maria Theresias, benannt. Pasqualati zählt zu den Sponsoren Beethovens und gewährt ihm mehrfach in seinem Haus Quartier. Beethoven komponiert hier so bedeutende Werke, wie die 4., 5., 7. und 8. Symphonie, sowie die Oper Fidelio und das Klavierstück “Für Elise”.
“Das Logis wird nicht vermietet. Beethoven kommt schon wieder.”
Freiherr von Pasqualati
Von seiner Wohnung im vierten Stock genießt Beethoven eine wunderbare Aussicht auf die Vorstädte, das Glacis und den Wienerwald. Nur der Blick nach Osten, Richtung Praterauen, bleibt ihm verwehrt.
Für Beethoven kein Problem. Er beauftragt kurzerhand einen Maurer mit einem Fensterdurchbruch. Doch sein Plan scheitert am Veto des Hausherrn. Hocherzürnt kündigt Beethoven seinen Mietvertrag. Doch er kehrt reumütig zurück und zieht wegen der herrlichen Aussicht wieder ein. Und dieses Spiel wiederholt sich zwischen 1804 und 1815 gleich mehrfach.
Beethoven und seine 68 Wohnungswechsel in Wien
Beethoven zieht mindestens 68-mal um. Zur damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches. Viele Stadtbewohner kündigen im Frühjahr ihre Wohnung und übersiedeln mit dem kompletten Hausrat aufs Land. Beethoven wechselt aber nicht immer freiwillig sein Quartier. Er hält sich an keine “Hausordnung” und ist ständig mit seinen Nachbarn und Hausherrn im Konflikt. Beethoven komponiert oft nachts und haut dabei so kraftvoll in die Tasten, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Es herrscht jedes Mal große Erleichterung, wenn Beethoven seinen Mietvertrag kündigt oder vom Hausherrn an die frische Luft gesetzt wird.
NÜTZLICHE HINWEISE
Pasqualati-Haus
1010 Wien, Mölker Bastei 8
Museum, Gedenktafel
Öffnungszeiten unter www.wienmuseum.at/de/standorte/beethoven-pasqualatihaus.html
Erreichbar mit der U2 Schottentor bzw mit den Straßenbahnlinien 1, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 44, 71, D
Eroica-Haus
Wir spazieren zum Schottentor und fahren mit der Straßenbahnlinie 37 bis zur Endstation “Hohe Warte”. Die Fahrt dauert ungefähr 25 Minuten und führt in eine der schönsten Gegenden Wiens. Wählt dabei einen Sitzplatz auf der rechten Seite, damit ihr bei der Döblinger Hauptstraße 92 einen Blick auf das Eroica-Haus (Bieder-Hof) werfen könnt. Im Eroica-Haus in Oberdöbling verbringt Beethoven den Sommer 1803. Zur dieser Zeit ist Oberdöbling noch ein Vorort Wiens, der von Feldern, Gärten und Weinbergen umgeben ist. Während des Aufenthaltes entsteht ein Großteil der “Eroica”. Ein Zwischenstopp lohnt hier nicht, da das Museum auf unbestimmte Zeit geschlossen ist.
Beethoven und seine politische Einstellung
Beethoven ist ein glühender Anhänger der französischen Revolution und bewundert Napoleon, der die Bürgerrechte stärkt und den Adel in die Schranken weist. Vor lauter Begeisterung widmet Beethoven ihm die “Eroica”. Als sich Napoleon jedoch zum Kaiser krönt, streicht Beethoven die Widmung so heftig durch, dass ein Loch im Papier entsteht. Beethovens Zornausbrüche sind berüchtigt. Als sich während eines Klavierkonzerts ein Adeliger lautstark mit einer Dame unterhält, springt Beethoven vom Klavier auf und brüllt das Publikum mit den Worten “Für solche Schweine spiele ich nicht!” an. Danach stürmt er wutentbrannt davon und ward nicht mehr gesehen.
NÜTZLICHE HINWEISE
Eroica-Haus
1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 92
Museum auf unbestimmte Zeit geschlossen, Gedenktafel
Beethoven-Denkmal im Heiligenstädter Park
Von der Endstation der Linie 37 spazieren wir bergab durch den Heiligenstädte Park zum Beethoven-Denkmal. Vor 200 Jahren befand sich im Heiligenstädter Park eine Kuranlage, die bis etwa 1870 existierte. Auf Anraten seines Arztes sucht Beethoven das Kurbad auf, um die heftigen Koliken und sein fortschreitendes Gehörleiden behandeln zu lassen. Doch die Kuren helfen nicht.
Nach der Kur unternimmt Beethoven lange Spaziergänge durch die Wiesen und Weingärten. In den Rocktaschen seines Gehrocks trägt er stets ein Notenheft, ein Konversationsheft, einen dicken Bleistift und das Hörrohr mit sich. Mit schnellem Schritt und mit den Armen den Takt angebend, wandert er vor sich hin summend durch Heiligenstadt. Bauern, denen Beethoven über den Weg läuft, halten ihn für einen entflohenen Narren.
Von Beethovens Taubheit und anderen Krankheiten
Mit 28 Jahren ist Beethoven schwerhörig, mit 40 benutzt er Hörrohre. Als auch die Hörrohre nicht mehr helfen, kommuniziert er mit Hilfe von Konversationsheften. In diese schreiben seine Gesprächspartner hinein, was sie Beethoven mitteilen möchten. Trotz dieses Handicaps komponiert Beethoven unermüdlich weiter und schafft bis zu seinem Tod noch großartige Musikstücke. Bei der Uraufführung der 9. Sinfonie 1824, ist Beethoven bereits völlig taub. Trotzdem steht er selbst am Dirigentenpult. Beethoven dirigiert wie ein Wahnsinniger und fuchtelt mit den Händen wild herum. Als nach der Aufführung jubelnder Beifall ausbricht, bekommt der mit dem Rücken zum Publikum stehende Beethoven nichts davon mit. Erst als ihn eine Chorsängerin zum Publikum dreht, sieht er die begeisterte Menge und verbeugte sich dankend.
NÜTZLICHE HINWEISE
Heiligenstädter-Park
1190 Wien, Grinzinger Straße
Denkmal
Grillparzer- und Beethoven-Haus
Unser nächstes Ziel ist das barocke Grillparzer-Haus, wo zur gleichen Zeit Ludwig van Beethoven und die Familie Grillparzer mit ihrem 17-jährigen Sohn Franz lebten. In diesem Haus arbeitet Beethoven an der 6. Symphonie, der “Pastorale”.
Treffen mit Grillparzer und Beethovens letzte Worte
Franz Grillparzer, der berühmte österreichische Schriftsteller beschreibt Beethoven als mürrischen Mann, der nachlässig gekleidet auftritt. Kurios ist die Geschichte, die Grillparzer selbst erlebt hat. Die Mutter Grillparzers liebt Musik über alles. Wenn Beethoven am Klavier spielt, schleicht sie sich auf den Gemeinschaftsgang und lauscht seinen Kompositionen. Doch eines Tages reißt Beethoven unerwartet die Tür auf, erblickt Grillparzers Mutter beim Lauschen, geht zurück in die Wohnung und stürmt unmittelbar darauf, mit einem Hut am Kopf, die Treppe hinunter ins Freie. Warum er ab diesem Zeitpunkt sein Klavier nie wieder berührte, bleibt ein ewiges Rätsel der Menschheit.
Schubert Park
Schade, schade, zu spät!
Beethovens letzte Worte, als er die letzte Lieferung Wein nicht mehr genießen kann
Beethoven stirbt am 26. März 1827 und wird unter großer Anteilnahme der Wiener Bevölkerung am Währinger Ortsfriedhof –dem heutigen Schubertpark – beigesetzt. Die Grabrede verfasst Grillparzer. 1888 erfolgt die Umbettung der sterblichen Überreste Beethovens auf den Wiener Zentralfriedhof. Das ursprüngliche Grabmal Beethovens könnt Ihr heute noch im Schubertpark besichtigen.
NÜTZLICHE HINWEISE
Grillparzer- und Beethoven-Haus
1190 Wien, Grinzinger Straße 64
Gedenktafel
Schubertpark
1180 Wien, Währinger Straße 123
Grabdenkmäler von Beethoven und Schubert
Beethovenhaus, Pfarrplatz 2
Am Pfarrplatz von Heiligenstadt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Messe in der romanischen Kirche zum “Heiligen Jakob”, besuchte schon Beethoven.
Daneben steht ein Doppelhaus, in dem sich Beethoven von Mai bis Juni 1817 aufhält. Das Haus ist fast im Originalzustand erhalten und beherbergt heute einen berühmten Heurigen. Der ideale Platz für eine kleine Stärkung und Weinverkostung.
Das Küchenmädchen scheint brauchbarer als das vorige schlechte Schönheitsgesicht!
Beethoven über eine neue Küchenmagd
Beethovens G´scher mit dem Personal
Beethovens Wohnungen gleichen einem Saustall. Besucher sind irritiert von der großen Unordnung: Notenblätter und Kleidungsstücke liegen verstreut am Fußboden herum. Am Tisch Reste eines Imbisses, leere Weinflaschen und Konversationshefte. Das Klavier staubig. Inmitten dieser Unordnung steht Beethoven und begrüßt seine Gäste in einem schäbigen Hausrock. Der Komponist gilt als geizig, misstrauisch und jähzornig. Sein Personal kann davon ein Lied singen und kündigt laufend. Der Sowinetz-Text zu seiner 9ten “Alle Menschen samma zwider, i mechts in die Goschn haun” ist in diesem Zusammenhang mehr als passend. Mehrmals schmeißt Beethoven im Zorn den Dienstmägden Bücher an den Kopf oder wirft ihnen einen Sessel nach. Flüche und faule Eier treffen seine Köchin, als sie Lebensmittel in wichtige Notenblätter einwickelt.
NÜTZLICHE HINWEISE
Beethovenhaus
1190 Wien, Pfarrplatz 2
Gedenktafel, Heuriger Mayer am Pfarrplatz
Beethoven Museum
Wir spazieren ein paar Schritte weiter zum Beethoven-Museum. Während seiner Kuraufenthalte in Heiligenstadt von Mai bis Oktober 1802 bewohnt Beethoven das Haus in der Probusgasse. Hier verfasst Beethoven sein “Heiligenstädter Testament”.
Oh ihr Menschen die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropische haltet oder erklärt, wie unrecht tut ihr mir!
Beginn des Heiligenstädter Testaments
Im Beethoven-Museum wird das Leben des Komponisten in sechs Stationen und mit vielen originellen Exponaten dargestellt. Es beginnt mit seiner Ankunft in Wien und endet mit seinem Tod 1827. Besonders interessant sind die Hörstationen, wo ihr Beethovens schwindendes Hörvermögen am eigenen Leib nachempfinden könnt.
Das Heiligenstädter Testament ist ein Brief an seine Brüder, in dem er seine Verzweiflung über die fortschreitende Ertaubung beschreibt und seinen Nachlass regelt. Auch von Selbstmordgedanken ist die Rede. Beethoven versiegelt den Brief, schickt diesen aber nie ab. Erst nach Beethovens Tod im März 1827 wird das Dokument gefunden.
NÜTZLICHE HINWEISE
Beethoven Museum
1190 Wien, Probusgasse 6
Museum
Öffnungszeiten unter www.wienmuseum.at/de/standorte/beethoven-museum.html
Beethovenruhe im Beethovenpark
Das Beethoven-Denkmal in der Mitte des Parks wurde vom Bildhauer Anton Fernkorn 1863 geschaffen. Das Denkmal schmeichelt ein wenig. Denn Beethoven ist kein Adonis. Sein Gesicht ist von Pockennarben gezeichnet und seine Erscheinung wirkt ungepflegt. Das Wort “Charmant” kennt er nur vom Hörsagen, seine Manieren lassen zu wünschen übrig. Trotzdem übt er eine magische Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht aus.
Mein Engel, mein Alles, mein ich!
Aus dem Brief an die “Unsterbliche Geliebte”
]Beethoven, seine Frauen und die Liebe
Beethoven verliebt sich schnell, häufig und immer in die Falsche. Meist sind es Klavierschülerinnen aus adeligem Haus. Doch eine Heirat kommt aufgrund der Standesunterschiede nicht in Frage. Und so bleibt Beethoven der ewige “Lonesome Cowboy”.
Ein großes Rätsel gibt aber der Brief an die “Unsterbliche Geliebte” auf. Das leidenschaftliche Schreiben hat Beethoven nie abschickt. Dieses wird erst nach seinem Tod in einem Geheimfach seines Schreibtisches gefunden. Der Brief ist an eine namentlich nicht genannte Frau gerichtet. Beethoven-Experten vermuten, dass es sich dabei um die Gräfin Josephine Brunsvik handelt.
Die Affäre mit der Gräfin könnte aus einem Rosamunde Pilcher Drehbuch stammen. Beethoven verliebt sich in eine junge Witwe, schreibt ihr leidenschaftliche Liebesbriefe und schwört ihr “ewige Treue”. Die Gräfin schwankt zwischen Begierde, Standesdünkel und Vernunftehe. Sie entscheidet sich gegen Beethoven, heiratet einen Baron, der sie betrügt und verlässt. Als Draufgabe zerstreitet sich die Brunsvik mit der eigenen Familie und stirbt einsam und verlassen.
NÜTZLICHE HINWEISE
Beethovenpark
1190 Wien, zwischen Zahnradbahnstraße und Beethovengang
Denkmal
Haus des Nussdorfer Bürgermeisters
Den historischen Ortskern von Nussdorf mit seinen zahlreichen barocken Häusern würde Beethoven noch heute wiedererkennen. Er hat sich wenig verändert. Im Haus des Bürgermeisters Greiner verbringt Beethoven seinen letzte Sommer 1824. Er ist begeistert von dem kleinen Barockpalast. Seine Wohnung befindet sich im ersten Stock, von wo er den Ausblick auf die Weingärten und den nahen Nussberg genießt.
Fürst! Was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben, Beethoven gibt es nur einen.
Ludwig Van Beethoven zu Fürst Karl Lichnowsky
Beethoven und seine Sponsoren
Mit 22 Jahren kommt Beethoven als Schüler Haydns zum zweiten Mal nach Wien, wo er schnell Kontakte zu adeligen Förderern knüpft. Dank der großzügigen Unterstützung von Fürst Lobkowitz, Fürst Lichnowsky oder Erzherzog Rudolph und mit den Einnahmen aus seinen Kompositionen, kann Beethoven ein Leben als unabhängiger, freischaffender Künstlers führen. Beethoven nimmt sich gegenüber den Mächtigen selten ein Blatt vor den Mund. Sie bleiben ihm trotzdem gewogen.
NÜTZLICHE HINWEISE
Haus des Nussdorfer Bürgermeisters
1190 Wien, Kahlenberger Straße 26
Gedenktafel
Hier endet nun unser Wiener Stadtspaziergang “Auf den Spuren von Beethoven”. Wir gehen die Kahlenberger Straße Richtung Nussdorfer Platz, wo uns der D-Wagen zurück in die Innenstadt bringt.
Literaturhinweise und -tipps
- Gerhard von Breuning, Aus dem Schwarzspanierhause
- Alexander Thayer, Ludwig van Beethovens Leben
- Franz Grillparzer, Erinnerungen an Beethoven
- Theodor von Frimmel, Beethoven-Studien
- Wolfgang Alexander Thomas-San-Galli, Ludwig van Beethoven