DER WIENER UND DER TOD – EIN SPAZIERGANG AM ZENTRALFRIEDHOF

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Baumallee am Zentralfriedhof
Herbststimmung am Zentralfriedhof

Der alte jüdische Friedhof am Zentralfriedhof ist eine wildromantische Oase. Ein mystischer Ort, der zu einem ausgiebigen Spaziergang einlädt. Doch vorher steht noch ein Besuch der Ehrengräber und der Luegerkirche am Programm.  

Der Wiener Zentralfriedhof, Ort der Besinnung und Sentimalität

Ehrengräber am Zentralfriedhof

Wenn ma da so drunt liegt, freut ma sich, wann’s Grablaternderl leucht

Es lebe der Zentralfriedhof, Wolfgang Ambros

Der Zentralfriedhof von Wien – ein Ort, an dem die morbide Faszination und die Sentimentalität der Wiener spürbar werden. Hier vereinen sich die Ehrengräber berühmter Persönlichkeiten mit der stillen Romantik des alten jüdischen Friedhofs, der als wildromantische Oase mit verwitterten Grabsteinen und herbstlich goldenem Laub einen einzigartigen Zauber entfaltet.

Ehrengräber am Zentralfriedhof

Am Beginn dieses Spaziergangs durch die »Totenstadt« steht der Besuch der Ehrengräber und der prachtvollen Luegerkirche, einem Jugendstil-Juwel von Max Hegele. Der zweitgrößte Friedhof der Welt, von André Heller als »Aphrodisiakum für Nekrophile« bezeichnet, ist der letzte Ruheort unzähliger Berühmtheiten:

Ehrengräber am Zentralfriedhof

In Wien musst’ erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang!

Helmut Qualtinger

Musiker wie Beethoven, Johann Strauß, Falco oder Udo Jürgens; Schriftsteller wie Franz Werfel und Arthur Schnitzler; Künstler, wie Manfred Deix oder Franz West; Schauspieler wie Paul Hörbiger, Hans Moser und Christiane Hörbiger, sowie viele weitere Persönlichkeiten, deren Ruhm auch im Tod weiterlebt. Kein anderer Ort als der Zentralfriedhof bringt einen den Größen der österreichischen Geschichte und Kultur so nahe.

Ehrengräber am Zentralfriedhof
Grab von Falco am Zentralfriedhof

Die besondere Beziehung der Wiener zum Tod findet sich auch in zahlreichen Wiener Liedern wieder, wie »Der Tod, das muss ein Wiener sein« von Georg Kreisler oder »Es wird a Wein sein, und mir wer’n nimmer sein« von Ludwig Gruber. Aber auch Humorvolles darf nicht fehlen: Andreas Vitasek witzelt etwa, dass der typische Wiener Tod darin bestünde, sich nach zwei Stelzen und ein paar Bier vor die Liliputbahn zu werfen!

Luegerkirche am Zentralfriedho
Lueger Kirche am Zentralfriedhof

»A schöne Leich«, ein prachtvolles Begräbnis mit Pompfüneberer und großer Trauergemeinde, zählt für Wiener noch heute zum krönenden Abschluss eines Lebens. Dafür werden auch gerne die letzten Ersparnisse geopfert, sehr zum Missfallen der potetiellen Erben, die ihr Erbe schwinden sehen.

Luegerkirche am Zentralfriedho
Lueger Kirche am Zentralfriedhof

Und wonn i stirb, bitt´schön, möcht ich a Reblaus wieda werdn!

Die Reblaus, hans Moser

Jenseits des belebten Bereichs um die Ehrengräber und die Luegerkirche wartet der alte jüdische Friedhof, der mit seiner Stille zum Verweilen einlädt. Ab und zu sieht man Rehe, Fasane oder Hasen, die zwischen den Gräbern durch das Unterholz huschen. In diesem abgeschiedenen Teil des Zentralfriedhofs könnt ihr die Ehrengräber von Arthur Schnitzler, Friedrich Torberg oder Oscar Bronner entdecken.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

Wann i amal stirb, müß’n mi’ die Fiaker trag’n und dabei Zithern schlag’n!

Allweil fidel, Heurigenlied

Abseits des Hauptwegs führen schmale Pfade durch einen lichten Wald mit verwitterten Grabsteinen, teils umrankt von Efeu und wilden Wein. Viele davon sind umgefallen und werden von goldgelbem Herbstlaub bedeckt. Die Inschriften sind kaum mehr lesbar. Auf manchen Grabsteinen kann man Symbole, wie einen Hirschen oder den siebenarmigen Leuchter, entdecken. Diese sollen auf den Namen, das Geschlecht oder den Beruf des Verstorbenen hinweisen.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

Und auf mei’m Grabstein, da soll steh’n … a echt’s Weaner Kind, a Fiaker wie man’ net alle Tag find’.

Fiakerlied, Paul Hörbiger

Am Hauptweg erheben sich mächtige Gruftanlagen. Aber auch an ihnen nagt der Zahn der Zeit. Es gibt kaum Nachfahren, die die Gräber betreuen könnten. Viele starben in Konzentrationslagern oder konnten gerade noch rechtzeitig fliehen. Die wenigen Besucher des alten jüdischen Friedhofs legen statt Blumen kleine graue Steine auf das Grab, ein alter jüdischer Brauch.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

1879 wurde der jüdische Friedhof bei Tor 1 eröffnet. Bis 1916 fanden rund 80.000 Verstorbene hier ihre letzte Ruhestätte. Dann war dieser Bereich ausgelastet. In Folge wurde am östlichen Ende des Zentralfriedhofs ein weiterer jüdischer Friedhof errichtet. In den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs verursachten Fliegerbomben und Kampfhandlungen schwere Schäden am alten jüdischen Friedhof. Mehr als 3.000 Grabstätten wurden dabei zerstört.

Alter jüdischer Friedhof am Zentralfriedhof

In den folgenden Jahrzehnten verwilderte der alte jüdische Friedhof zusehends. Erst um die Jahrtausendwende begann man beschädigte Gräber zu restaurieren und Grabinschriften zu erneuern. Das der alte jüdische Friedhof noch erhalten ist, verdanken wir den Umstand, dass jüdische Gräber »Häuser der Ewigkeit« sind. Diese dürfen niemals aufgelöst, verlegt, bebaut oder neu belegt werden.

Fazit

Ein besinnlicher Spaziergang durch die Totenstadt der Wiener mit dem Who-is-Who der österreichischen Prominenz und einem beschaulichen Rundgang durch den alten jüdischen Teil des Zentralfriedhofs.