STADTWANDERWEG 4a – AUF ZUR JUBILÄUMSWARTE UND ZUM SCHLOSS WILHELMINENBERG

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Steinhofgründe: Kirschblüte

Diese aussichtsreiche Tour bietet Euch drei kulturelle Highlights: Otto Wagner Kirche, Jubiläumswarte und Schloss Wihelmineberg. Garniert wird diese Wanderung, die zum Großteil am Stadtwanderweg 4a verläuft, mit wunderschönen Ausblicken auf Wien.

Otto-Wagner-Spital am Steinhof

Otto Wagner Spital

Unsere Wanderung zur Jubiläumswarte startet beim Haupteingang des Otto-Wagner-Spitals, leicht erreichbar mit dem Bus 48A. Das Otto-Wagner-Spital wurde 1907 als Niederösterreichische Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke »Am Steinhof« eröffnet.

Otto Wagner Spital

Die nach dem Generalkonzept von Otto Wagner errichtete Anstalt mit ihren zahlreichen Pavillons galt zur Jahrhundertwende als die modernste und größte Psychiatrische Klinik Europas. Otto Wagner schuf am Steinhof ein Gesamtkunstwerk aus Architektur und Natur bei dem jedes Detail – von der Bodenfliese bis zum Mobiliar und den Türgriffen sorgfältig geplant war. »Den Ärmsten das Schönste!« lautete das Credo des bedeutendsten Architekten Österreichs.

Jugendstiltheater

Jugendstiltheater im Otto Wagner Spital

Schon kurz nach dem Haupteingang erreichen wir das in den Plänen von Otto Wagner als »Gesellschaftshaus« bezeichnete Jugendstiltheater. Seit jeher führt das Theater ein Schattendasein. Während des ersten Weltkriegs als Reservelazarett genutzt, wurde es später nur mehr sporadisch bespielt. Was sehr schade ist, denn das Baujuwel mit seinen von gusseisernen Laternen flankierten Treppen und Rampen wirkt wie eine noble italienische Villa.

Jugendstiltheater im Otto Wagner Spital

Nach der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1938 veränderte sich auch das Leben der psychischen Kranken in der Anstalt »Am Steinhof«. Da diese als »unnütze Esser« galten führte man sie der Euthanasie zu. Dem Euthanasieprogramm fielen auch viele geistig oder körperlich behinderte Kinder und Jugendlichen zum Opfer, die hier in den Jahren 1940–1945 ermordet wurden. Darin erinnern die 772 Lichtstelen am Fuße der Theaterterrasse, die symbolisch für ein jedes ausgelöschte Leben stehen.

Otto Wagner Kirche

Otto Wagner Kirche

Überragt wird die gesamte Spitalsanlage von der weithin sichtbaren goldenen Kuppel der »Kirche am Steinhof«. Sie gilt als Meilenstein von Otto Wagners Schaffen. Selbsternannte Kunstkritiker ließen seinerzeit kein gutes Haar am bedeutendsten sakralen Bauwerk des Wiener Jugendstils und meinten, dass die Verrückten beim Besuch dieser verrückten Kirche noch verrückter werden würden.

Otto Wagner Kirche am Monte Lemone

Gemeinsam mit den Ärzten erarbeitete Otto Wagner die speziellen Anforderungen an ein Gotteshaus in einer Irrenanstalt. So durften die Kirchenbänke wegen der Verletzungsgefahr keine scharfen Ecken haben. Kurzen Bankreihen wiederum ermöglichten ein rasches Eingreifen des Pflegepersonals im Notfall. Und um die die Ansteckungsgefahr mit Krankheiten zu verringern, ließ Wagner Weihwasserbecken mit fließendem Weihwasser installieren.

Hinweis:
Öffnungszeiten: Von außen ist die Kirche jederzeit zu besichtigen. Das Kircheninnere ist vom 18.3.2023 bis 29.10.2023 immer samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Mehr zur Otto Wagner Kirche findet Ihr im Beitrag »JUGENDSTIL IN WIEN – EIN SPAZIERGANG ZUR OTTO WAGNER KIRCHE AM LEMONIBERG«

Steinhofgründe

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Die Spitalsanlage geht nahtlos in die Steinhofgründe über. Das beliebte Erholungsgebiet war einst ein Teil der Krankenanstalt und wurde vor allem landwirtschaftlich für die Versorgung des Spitals genutzt. Davon zeugen noch heute unzählige alte Obstbäume. In den 1970er Jahren gab es Pläne, das Areal mit Gemeindebauten zu zubetonieren. Da sich jedoch bei einer gemeindeweiten Volksbefragung im Jahr 1981 mehr als 53% der Bevölkerung gegen das Projekt entschied, blieb das Erholungsgebiet bis heute erhalten.

Reste des Senders Rot-Weiß-Rot in den Steinhofgründen

Wer entlang des Weges genau schaut, kann noch Reste von Verankerungen eines Sendemastes des amerikanischen Radiosenders »Rot-Weiß-Rot» entdecken. Dieser existierte von 1945 bis 1955 und war der ideologische Gegenpol zum »Russensender« Radio Wien. Zu den bekanntesten Radio-Stars des US-Senders zählten Maxi Böhm, Alfred Böhm, Peter Alexander, Helmut Qualtinger, Friedrich Torberg oder Luise Martini.1955 .

Feuerwache Steinhof

Nachdem wir die Steinhofgründe bei der Feuerwache verlassen haben, folgen wir der gelben Markierung durch den »Ottakringer Wald» zur Jubiläumswarte.

Jubiläumswarte

Rundtempel am Wilhelminenberg

Auf halber Strecke blitzt zwischen den Bäumen ein kleiner weißer Rundtempel hervor. Das klassizistische Bauwerk mit seinen ionischen Säulen und dem hohen Kuppeldach ist im dichten Blätterwald leicht zu übersehen. Im Jahr 1780 erwarb der russische Botschafter in Wien, Fürst Demeter von Gallitzin weite Teile des Predigtstuhls in Ottakring und ließ dort ein Sommerschlösschen erbauen, sowie einen englischen Landschaftsgarten mit besagtem Rundtempel, Teichen, Springbrunnen und römischen Ruinen errichten. Schon bald wurde der bisher als Predigtstuhl bekannte Hügel nach dem Fürsten »Gallitzinberg« genannt. Anstelle des Sommerschlösschen steht heute das Schloss Wilhelminenberg. Doch dazu später.

Jubiläumswarte

Nach rund 20 Minuten Gehzeit haben wir den Gipfel des 449 Meter hohen Wilhelminenbergs, vormals Gallitzinberg, vormals Predigtstuhl, erreicht. Die 31 Meter hohe Jubiläumswarte ist kaum zu übersehen. Die filigran wirkende Stahlbetonkonstruktion schraubt sich förmlich in den Himmel.

Ausblick von der Jubiläumswarte

Exakt 183 Stufen sind es bis zur Aussichtsplattform der Jubiläumswarte , von wo ihr einen wunderbaren Rundblick über Wien genießen könnt. An klaren Tagen sind im Osten die Hainburger Berge und im Süden der Schneeberg zu sehen.

Schirach-Bunker am Wilhelminenberg

Tief unter der Jubiläumswarte schlummert der geheimnisumwitterte »Schirach-Bunker«, benannt nach Gauleiter Baldur von Schirach. Während des Zweiten Weltkriegs errichtet, diente dieser als Luftwarnzentrale und Schutz für die Gauleitung bei Luftangriffen. Von hier wurde der Luftraum über Wien überwacht. Näherten sich alliierte Flugzeuge dem Stadtgebiet ertönte im Radio der gefürchtete »Kuckuck« als Warnsignal für die Bevölkerung. Erst danach wurde der Fliegeralarm ausgelöst.

Schirach-Bunker am Wilhelminenberg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden sämtliche Zugänge der Bunkeranlage gesprengt. Noch heute halten sich hartnäckig das Gerücht, dass dort sagenhafte Reichtümer von den Nazis versteckt wurden. Gefunden hat man jedoch nichts. Was noch existiert sind drei Splitterschutzbunker, die als Schutz für die Beobachtungsposten dienten.

Kreuzeichenwiese

Nahe der Jubiläumswarte

Nachdem ihr die Wendeltreppe der Jubiläumswarte wieder hinuntergestiegen seid und dabei hoffentlich keinen Drehwurm bekommen habt, folgen wir weiter dem Stadtwanderweg 4a bis zur Kreuzeichenwiese, die Schauplatz einer Sage ist. Sie handelt von einem Sonderling, der durch das Unterholz rund um die Kreuzeichenwiese herumstreifte. Bei einem Jagdausflug soll Kaiser Karl VI den Waldmenschen entdeckt haben und ihn -zwecks Resozialisierung – mit an den Hof genommen haben.

Am Stadtwanderweg 4a

Doch alle Versuche scheiterten, da der Waldmensch zurück in seine Wildnis floh. Im Jahr 1731 soll man ihn nach der Schneeschmelze tot in einer Erdhöhle gefunden haben. Wir setzen unsere Wanderung am nun stetig bergabführenden Stadtwanderweg 4a fort, der uns entlang der Heubergsiedlung zur Eselstiege und weiter zur Savoyenstraße führt.

Zusatz-Schritte: Abstecher zu den Loos-Häusern am Heuberg

Siedlung Heuberg

Architektur-Enthusiasten sollten unbedingt einen Abstecher in die Heubergsiedlung machen. Hier plante Adolf Loos in den 1920ern billige Reihenhäuser nach sozialen Gesichtspunkten. Mit seinem patentierten Konstruktionsverfahren »Haus mit einer Mauer« senkte er die Baukosten enorm, da sich jeweils zwei Siedlungshäuser eine tragende Mauer teilen. Die Siedlung bot auch Nutzgärten zur Versorgung der Bewohner mit Nahrungsmitteln.

Heuberg Siedlung - Loos Häuser

Bei der Errichtung der Siedlung mussten sich die künftigen Bewohner zur Mitarbeit von 3.000 Arbeitsstunden verpflichten. Heute ist die “Loos-Siedlung” am Heuberg nur noch fragmentarisch erhalten, aber noch immer ein faszinierendes Beispiel für wegweisende Architektur, wie zB Röntgengasse Ecke Plachygasse.

Vom Ende der Eselstiege sind es dann noch rund 300 Meter bis zu unserem nächsten Ziel, dem Montléart-Mausoleum, welches sich direkt an der Savoyenstraße, kurz vor dem Schloss Wilhelminenberg befindet.

Montléart-Mausoleum

Montléart-Mausoleum

Im Montléart-Familienmausoleum fand Fürstin Wilhelmine Montléart-Sachsen-Kurland, der einstigen Besitzerin des gleichnamigen Schlosses, ihre letzte Ruhestätte. Die Fürstin galt als großzügige Mäzenin des ausgehenden 19. Jahrhunderts. So spendete sie 300.000 Kronen zur Errichtung des nach ihr benannten Wilhelminenspitals. Wir verlassen nun den Stadtwanderweg 4a und folgen der Savoyenstraße ein kurzes Stück bis zum Eingang von Schloss Wilhelminenberg.

Schloss Wilhelminenberg

Schloss Wilhelminenberg

Das Schloss Wilhelminenberg wurde im Jahr 1908 im Neoempire-Stil als Sitz der österreichischen Erzherzöge an Stelle des baufälligen Schlosses der Fürsten Montléart errichtet. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kam das Schloss in den Besitz der Gemeinde Wien und diente als Kinderherberge Heereslazarett und Erholungsheim. Seine schwärzeste Geschichte erlebte das Schloss in den 1960er und 1970er Jahren als es als Heim für Sonderschülerinnen genutzt wurde. Über Jahre hindurch wurden die hier untergebrachte Mädchen misshandelt, gefoltert und vergewaltigt.

Schloss Wilhelminenberg

Obwohl die verantwortlichen Stadträtinnen von den sexuellen Übergriffen wussten, taten sie nichts. Ganz nach dem Motto der drei Affen »Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen«. Erst im Jahr 2010 gab die Stadt Wien den Auftrag den Skandal aufzuarbeiten. Man benötigte sage und schreibe neun Jahre, bis die ersten Opfer finanziell für die erlittenen Qualen entschädigt wurden. Heute beherbergt das Schloss ein Hotel.

Predigtstuhl, Gallitzinberg oder Wilhelminenberg?

Blick vom Gallitzinberg

Vom Park des Schlosses habt ihr einen der schönsten und atemberaubendsten Ausblicke über Wien und die nähere Umgebung. Der Wilhelminenberg hatte im Laufe der Geschichte noch zwei weitere Namen: Predigtstuhl und Gallitzinberg bzw im Volksmund Galiziberg. Während der Name Predigtstuhl auf eine alte heidnische Kultstätte hindeutet, verdankt er seinen zweiten Namen dem russischen Botschafter in Wien, Demetrius Michailowitsch Gallitzin, der in den 1780er Jahren weite Besitzungen hier erwarb.

Blick vom Gallitzinberg

Die Bezeichnung Wilhelminenberg stammt von der bereits erwähnten Fürstin Wilhelmine Montléart-Sachsen-Kurland. Doch die Umbenennung von Gallitzinberg auf Wilhelminenberg verlief anfangs nicht ganz nach Wunsch der Familie Montléart, da die zuständige Behörde keinen Grund zur Namensänderung sah. Erst als die Montléarts an allen Zugängen zum Schloss Tafeln mit der Aufschrift »Wilhelminenberg« anbringen ließ, erreichten sie die Änderung des Names.

Zurück Richtung Steinhofgründe

Wir verabschieden uns von der wunderbaren Aussicht und setzen unseren Weg fort. Wir gehen die Wiese beim Treppenaufgang vom Schloss bergab und erreichen kurz danach den Paulinensteig mit seinen unzähligen Stufen. Danach folgen wir der Winterleitengasse und der Gallitzinstraße bis zur Kreuzung mit der Hertlgasse, wo wir auf eine der berühmtesten Villen Ottakrings stoßen.

Villa Novak vulgo »Ganserlburg«

Villa Novak

Die im Jahr 1886 errichtete Villa Novak ähnelt in ihrer äußeren Form dem Schloss Miramare in Triest. Über die Entstehung des Spitznamens rankt sich folgende Geschichte. Anlässlich der Fertigstellung des Architekturjuwels veranstalteten die Eigentümer ein Fest, wo man die Nachbarn, sowie die örtliche Prominenz einlud und Gänsebraten servierten. Es gab jedoch auch Bewohner aus der Gegend, die keine Einladung zu dem rauschenden Fest erhielten und die Villa seit dieser Zeit abschätzig als »Ganserlburg« bezeichneten.

Über die Johann-Staud-Straße, den Hansl-Schmid-Weg und die Reizenpfenninggasse erreicht ihr die Sanatoriumstraße und somit den Ausgangspunkt unserer Wanderung wieder. Wir hoffen, dass Euch unsere Wanderung zur Jubiläumswarte gefallen hat und wünschen Euch viel Spaß beim »Nachwandern«.

Die Strecke
Diese Tour ist eine Variante des Standtwanderwegs 4a. Nur der Beginn und das Ende wurden abgeändert: Sanatoriumstraße > Otto Wagner Spital > Otto Wagner Kirche > Steinhofgründe > Stadtwanderweg 4a > Jubiläumswarte > Kreuzeichenwiese >Eselsteig > Savoyenstraße > Schloss Wilhelminenberg > Paulinensteig > Winterleitengasse > Gallitzinstraße > Hertlgasse > Johann-Staud-Straße > Hansl-Schmid-Weg > Reizenpfenninggasse > Sanatoriumstraße

Länge: 8,00 km, 300 Höhenmeter, ca 10.500 Schritte

Wanderkarte, GPS-Daten