Meersburg am Bodensee ist ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch mit einer imposanten Burg und engen mittelalterliche Gässchen. Hier verbrachte Annette von Droste-Hülshoff ihre schönsten Jahre. Ein Stadtspaziergang durch Meersburg auf den Spuren der bekannten Schriftstellerin.
Ich mag und will jetzt nicht berühmt werden, aber nach hundert Jahren möcht ich gelesen werden!
Annette von Droste-Hülshoff
Sonntag, früher Nachmittag. Wir begeben uns auf eine ganz spezielle Stadtführung. Im Mittelpunkt der Tour steht die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, die hier in Meersburg, die schönsten Jahre ihres Lebens verbrachte. Wer kennt sie nicht, die Droste. Ihre bekannteste Novelle “Die Judenbuche” steht noch heute auf dem Lehrplan zahlreicher Schulen. Und viele von uns mußten sie einst lesen.
Droste meets Edelfräulein Wendelgard – Die magische Säule
Ausgangspunkt unserer Spurensuche ist das Kunstwerk “Magische Säule” an der Uferpromenade der Stadt. Im Jahr 2007 wurde das Denkmal vom Bildhauer Peter Lenk errichtet. Bekannte Meersburger Bürger wurden hier für die Ewigkeit in Szene gesetzt. Auf der Spitze der Säule thront eine Möwe mit dem Gesicht der Droste.
Zu sehen ist auch der gefürchtete Exorzist Joseph Gaßner. Er leidet nicht an Flatulenz, sondern ihm fährt im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel aus dem Allerwertesten.
Und noch eine Figur sei hier kurz erwähnt, nämlich das Edelfräulein Wendelgard von der Haltnau. “Schiach wie ein Zinshaus” soll sie gewesen sein. Zeitzeugen beschreiben sie als schweinsrüsselige bucklige Jungfrau. Und sie hatte keinen Mann, aber ein riesiges Weingut. Dieses bot sie der Stadt unter einer einzigen Bedingung an. Ein Ratsherr müsse mit ihr täglich dinieren und sonntags eine Kutschenfahrt unternehmen. Dummerweise stand kein Meersburger Ratsherr für diesen Deal zur Verfügung. Dafür aber ein Ratsherr aus Konstanz. Und so erfreuen sich die Konstanzer des Weinguts noch heute. Ob sich der Mann vor jedem Rendezvous betrank oder ob er blind vor Liebe war, darüber weiß die Chronik nichts zu berichten.
Relaxen an der Uferpromenade
Weiter geht es entlang der schönen Uferpromenade Richtung Oberstadt. Hier lässt es sich vortrefflich unter Platanen prominieren. Zahlreiche Bankerl – aber leider meist besetzt – laden zum Verweilen ein.
Alternativ bietet sich auch die Seeterrasse des Hotels “Zum Schiff” an, wo man bei Kaffee und Kuchen den wunderbaren Ausblick auf den See gemütlich genießen kann. Auch die Droste unternahm lange Spaziergänge am Seeufer, wenn es ihre Gesundheit zuließ. Zeit ihres Lebens hatte die Schriftstellerin massive Gesundheitsprobleme und litt an schweren Depressionen.
Verwinkelte mittelalterliche Gassen
Unser Stadtrundgang führt uns nun weiter bergauf Richtung “Alte Burg”. Enge verwinkelte Gässchen mit prächtigen Fachwerkhäusern prägen die mittelalterliche Stadt. In Meersburg verbrachte die Droste die schönsten Tage ihres Lebens. Hier war sie frei von gesellschaftlichen Zwängen und Pflichten.
Die Lebensbestimmung einer Frau im Biedermeier war es, Hausfrau und Mutter zu sein. Davon wollte die Droste nichts wissen. Sie hatte einen siebzehn Jahre jüngeren Lover, war unverheiratet und ein Multitalent. Sie schrieb Gedichte und Romane, sprach mehrere Sprachen, spielte Klavier, komponierte Lieder und versuchte sich auch als Theaterschauspielerin. Den meisten Männern war sie aufgrund ihres hohen Intellekts unheimlich.
Die Droste und ihr jugendlicher Liebhaber – die “Alte Burg”
Etwas außer Atem kommen wir bei der “Alten Burg” an. Die mächtige Befestigungsanlage geht bis in das siebte Jahrhundert zurück und gilt als älteste bewohnte Burg Deutschlands. Den Rundgang durch die Burg sollte man auf keinen Fall versäumen.
Vom Rittersaal bis zur Burgküche und dem Burgverlies – in der “Alten Burg” kann man das Mittelalter hautnah erleben.
In der Burg befinden sich auch die Wohnräume und das Sterbezimmer von Annette von Droste-Hülshoff. Von ihrem Zimmer hat man einen wunderbaren Rundblick auf den Bodensee. Hatte Annette überhaupt Zeit diesen zu genießen?
Wohl kaum, denn entweder verbrachte sie die meisten Stunden des Tages in den Armen ihres siebzehn Jahre jüngeren Liebhabers Levin Schücking oder schrieb – inspiriert von ihrem Lover – ein Gedicht nach dem anderen. Sie nennt ihn “Meine Muse”, will ihn heiraten. Doch die Muse erhört sie nicht. Er macht sich auf den Staub, verliebt sich in eine Jüngere und heiratet diese – Glück in der Lyrik, Pech in der Liebe.
Das “Neue Schloss”
Einen kurzen Halt legen wir beim “Neuen Schloss” ein, welches sich in unmittelbarer Nähe der “Alten Burg” befindet. Hier wohnten die betuchten geistlichen Würdenträger der Stadt. So wie die “Alte Burg” thront der Barockbau imposant über See und Stadt.
Die letzten Jahre der Droste – das Fürstenhäusle
Ich bin seit acht Tagen eine grandiose Grundbesitzerin. Ich habe das Fürstenhäuschen, nebst dem dazugehörigen Weinberge erstanden, und wofür? Für 400 Reichsthaler!
Annette von Droste-Hülshoff
Das nächste Ziel unseres Droste-Rundganges ist das Fürstenhäusle inmitten von Weinbergen, welches die Dichterin im Rahmen einer Auktion ersteigert hatte. Finanziert wurde die Immobilie vom Honorar für ihre Novelle “Die Judenbuche”.
Die Droste konnte ihr Eigentum, das sie erst fünf Jahre vor ihrem Tod erworben hatte, aus Gesundheitsgründen kaum mehr genießen. Annette von Droste-Hülshoff blieb zeit ihres Lebens unverheiratet. Sie verstarb 1848 im Alten Schloss an einer schweren Lungenentzündung und fand am Ortsfriedhof von Meersburg in der Nähe der alten Friedhofskapelle ihre letzte Ruhestätte.
Heute beherbergt das Fürstenhäusle ein kleines sehr gemütliches Museum, das an die Droste erinnert. Zu sehen sind Möbelstücke und ihr Biedermeier-Sekretär, an dem viele ihrer Werke entstanden sind. Noch heute ist die Droste in Meersburg allgegenwärtig. In zahlreichen Souvenirshops findet man ihr Bildnis auf Kaffeehäferl oder Postern.
Am Fürstenhäusle endet auch die Stadtführung. Soviel Kultur macht hungrig, Kaffee und Kuchen oder Sauerbraten mit Spätzle? “Schau ma mal”, was uns die Lokalszene in Meeresburg so bieten wird.