Werbung wirkt. In einer Zeitungsbeilage wurde der neue Radweg Thayarunde vorgestellt. Die Beschreibung dieser Tour hat mich sofort angesprochen. Die Thayarunde führt zu einem großen Teil auf einer Bahntrasse durch das nördliche Waldviertel nach Tschechien in die Renaissancestadt Slavonice.
Mit 86 km nicht gerade die kürzeste Radtour, dafür aber mit vielen Highlights gewürzt. Mich erwarten die Burg Raabs, der alte jüdische Friedhof in Písečné oder die einzigartige Renaissancehäuser in Slavonice.
Thayarunde – Von Groß-Siegharts nach Raabs/Thaya
Zeitig in der Früh fahre ich ins Waldviertel. Es ist knapp vor 9 Uhr als ich meine Radtour in Groß-Siegharts starte. Noch ist es “angenehm” kühl, denn für den heutigen Tag sind 34 Grad angesagt. Ich unternehme noch einen schnellen Abstecher zur Kirche und Schloss und dann geht es endgültig los.
Flott fahre ich auf der ehemaligen Bahntrasse der Lokalbahn Göpfritz–Raabs dahin, die meiste Zeit leicht bergab. Die Steigungen sind nicht der Rede wert. Felder und Wälder wechseln einander ab.
Nach rund 11 km erreiche ich einen kleinen Rastplatz mit einem wundervollen Blick auf die Burg Raabs. Am Zusammenfluss der Mährischen und der Deutschen Thaya gelegen, erhebt sich die mächtige Burg über der Stadt. Sie ist eine der ältesten Steinburgen Österreichs. Einst ein wichtiges Bollwerk der Babenberger gegen Feinde aus dem Norden, ist sie heute beim alljährlichen Poetenfest im August ein Zentrum des geschliffenen Wortes.
Nach einer rasanten Abfahrt erreiche ich den Stadtplatz von Raabs. Hier muss man aufpassen, dass man der richtigen Beschilderung folgt, denn es gibt auch einen Thayatalradweg. Prompt bin ich in die Falle getappt und ein Stück den falschen Radweg entlang gefahren. Gott sei Dank ist mir der Fehler recht schnell aufgefallen.
Thayarunde – Von Raabs/Thaya nach Slavonice
Während die ersten 11 km ideal zum Einfahren waren, sind die nächsten 30 km eine Spur anstrengender. Es geht Hügel rauf und Hügel runter, Waldviertel halt. Nach einer kurzen Abfahrt folgt ein – gefühlter – dreifacher Anstieg. Mittlerweile klettert auch das Thermometer gegen 30 Grad. Schatten gibt es recht wenig, denn der Radweg führt großteils durch Felder. Modsiedl, Großau und Schaditz sind die letzten Orte vor der Grenze.
Und plötzlich bin ich an der Grenze. Vom “Eiserner Vorhang”, der einst Österreich und die damalige CSSR trennte, ist nichts mehr zu sehen. Nur eine einsame Grenztafel mit der Aufschrift Česká Republika weist mich darauf hin, dass ich nun in Tschechien bin. Größte Änderung ist, dass in Tschechien die Radwege Cyclotrasa heißen und mit gelben Schildern gekennzeichnet sind.
Ich durchquere Hluboka und Rancirov. Der Radweg verläuft nun auf einer wenig befahrenen Landstraße. Sie folgt der historischen Poststraße zwischen Wien und Prag. Als Kaiser Rudolf II aus dem Hause Habsburg in seiner Prachtkutsche hier entlang nach Prag rumpelte, sah er sicherlich nicht den Bunker zur Grenzsicherung.
Während Kaiser und Postkutschen zur nächsten Poststation in Slavonice weiterfuhren, mache ich einen kurzen Zwischenstopp in Pisečne.
Hier befindet sich ein idyllisch gelegener alter jüdischer Friedhof. Märchenhaft verwunschen offenbart sich dieses Kulturjuwel. Zwischen Bäumen stehen mehr als 400 Grabsteine, die ältesten aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Ich spaziere ein wenig durch die Grabreihen und lese die hebräischen und deutschen Inschriften. Da der Grabstein eines Fabrikanten, dort die letzte Ruhestätte eines Mannes, der als “schlicht und ehrlich gut und fromm” beschrieben wird.
Es herrscht eine ganz besondere Stimmung. Die Blätter der Bäume brechen die Sonnenstrahlen, werfen Schatten auf die Grabsteine und tauchen den Friedhof in ein ganz spezielles Licht.
Es wird Zeit für den Aufbruch. Ich verlasse diesen verwunschenen Ort und bereite mich seelisch auf zwei langgezogene Anstiege vor. Der Radweg führt nun durch Böhmisch-Kanada (Česká Kanada). Die raue Natur, zahlreiche Seen und dichte Fichtenwälder erinnern an das echte Kanada und haben dieser Region den Spitznamen eingebracht.
Mounties und Bären habe ich nicht gesehen, dafür Gewitterwolken, die plötzlich aufgezogen sind. Donnergrollen ist in der Ferne zu hören. Nach dem letzten Anstieg geht es flott nach Slavonice.
Als ich das Stadttor passiere, beginnt es leicht zu regnen und artet am Hauptplatz zu einem Gewitter mit heftigem Regenguss aus. Auffallend sind die zahlreichen Radfahrer, die hier eine Rast einlegen und nun von den Gastgärten in die Lokale flüchten. Ich schaffe es rechtzeitig unter einem Arkadenbogen Schutz zu suchen.
Nach 15 Minuten ist der ganze Spuk vorbei und ich beginne mit meiner Stadterkundung. Der Hauptplatz wird dominiert von wunderbaren Renaissancehäusern.
Einige sind üppig mit kunstvollen figuralen Sgraffitos verziert, andere wirken durch die Malerei an der Fassade venezianisch.
Viele werden von prächtigen und verspielten Hausgiebeln gekrönt, die an flämische Bürgerhäuser erinnern.
Die Geschichte hat es mit Slavonice nicht immer gut gemeint. Stadtbrände, Pest und der Dreißigjähriger Krieg suchten die Stadt heim. Später verschwand Slavonice für vier Jahrzehnte hinter dem Eisernen Vorhang. Heute präsentiert sich Slavonice als herausgeputzte Bilderbuchstadt, die vom Massentourismus noch verschont geblieben ist.
Thayarunde – Von Slavonice nach Waidhofen/Thaya
Es ist Zeit von Slavonice Abschied zu nehmen. Von Slavonice bis Waidhofen sind es rund 30 km. Der Radweg verläuft nun auf der ehemaligen Bahntrasse der Thayatalbahn. Schon nach zwei Kilometer habe ich wieder österreichischen Boden unter den Rädern.
Von hier geht es sanft bergab bis Waldkirchen, wo sich ein Friedhof für ausrangierte Eisenbahnwaggons befindet.
Von nun an ist die Thaya mein ständiger Begleiter. Den Großteil der Strecke geht es flach dahin. Die alten Kilometersteine der Thayatalbahn stehen noch am Wegesrand. Die Orte Dobersberg, Merkengersch oder Edlitz lasse ich links liegen.
Bei Thaya überquere ich den Fluss Thaya auf einer historischen Eisenbogenbahnbrücke aus dem Jahr 1903. Bald darauf ist Waidhofen erreicht. Hier stellt sich nun die Gewissensfrage, ob ich die längere Südstrecke (19 km) oder die kürzere Nordstrecke (15 km) nach Groß-Siegharts nehmen soll.
Ich entscheide mich für die kürzere Variante. Ob es eine kluge Entscheidung war, sei dahin gestellt. Vermutlich würde ich beim nächsten Mal die längere Variante wählen. Mein kurzer Rundgang durch Waidhofen ist eine Enttäuschung. Verglichen mit Slavonice hat Waidhofen nicht viel zu bieten.
Von Waidhofen/Ybbs nach Groß-Siegharts
Auf diesen 15 km habe ich meine Sünden abgebüßt. Kurz nach Waidhofen beginnt schon ein stetiger Anstieg. Die Thayaroute führt nun durch ein Waldstück auf einer nicht asphaltierten Schotterstraße Richtung Predigtstuhl. Die Strecke bis Dietmanns ist absolut spaßbefreit. Mühsam quäle ich mich Höhenmeter für Höhenmeter hinauf. Endlich erreiche ich den Scheitelpunkt der Strecke. Von nun an geht’s wieder bergab. Freude kommt bei der Abfahrt jedoch nicht auf. Die Strecke ist ein einziger Höllenritt. Spurrinnen beuteln mich ordentlich durch. Ich bin froh, dass ich Dietmanns ohne Sturz erreiche.
Von hier sind es nur mehr rund drei Kilometer bis Groß-Siegharts. Nach rund 86 km erreiche ich glücklich, aber ziemlich ausgepowert den Ausgangspunkt meiner Radtour wieder. Schön war’s, aber auch anstrengend.
Thayarunde-Radweg – Fazit
Eine wirklich schöne Runde, die mir, mit Ausnahme des Streckenabschnitts zwischen Waidhofen und Groß-Siegharts, gut gefallen hat. Beim nächsten Mal würde ich auf alle Fälle die andere Variante wählen. Meine persönlichen Highlights waren die Burg Raabs, der jüdische Friedhof in Písečné und die Renaissancestadt Slavonice.
FOTOALBUM
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einer Radtour entlang alter Bahntrassen inspirieren konnten. Noch mehr Fotos zu dieser Radtour findet Ihr im Fotoalbum unter: IMPRESSIONEN VOM RADWEG THAYARUNDE
Streckenplan Radweg Thayarunde – GPS-Daten
Tourdaten
Radweg-Symbol: Grünes Schild mit Logo Thayarunde
Schwierigkeit: leicht (Groß-Siegharts – Raabs, Slavonice – Waidhofen); mittel (Raabs – Slavonice); mühsam (Waidhofen – Groß-Siegharts)
Strecke: ca 86 km
Highlights der Strecke:
- Raabs/Thaya
- Jüdische Friedhof in Písečné
- Renaissancestadt Slavonice
Der Weg ist sehr gut ausgeschildert. Achtung in Raabs die Thayarunde nicht mit dem Thayatalradweg verwechseln. Eine zusätzliche Radkarte kann nicht schaden.