Das Tullnerfeld ist weit und eben, ideal für eine gemütliche Radtour. Für den heutigen Tag habe ich mir den Tullnerfeld Radweg von Tulln nach Traismauer ausgesucht. Dieser bietet neben einer schönen Streckenführung auch zahlreiche kulturelle Highlights. Zurück nach Tulln geht es über den Donauradweg.
Tulln an der Donau – Auf den Spuren von Egon Schiele
Ausgangspunkt meiner heutigen Radtour durch die Weite des Tullnerfelds ist Tulln an der Donau, die Geburtsstadt von Egon Schiele.
Sehenswürdigkeiten in Tulln
Bevor ich mich auf den Drahtesel schwinge, spaziere ich ein Stück entlang des Egon Schiele –Wegs. Dieser führt zu den dreizehn wichtigsten Schauplätzen seiner Kindheit in Tulln. Egon Schiele wird am 12. Juni 1890 am Bahnhof von Tulln in der Dienstwohnung seines Vaters geboren.
Einen Folder für den Egon Schiele-Themenweg erhält man bei der Tourist-Info, gleich neben der Minoritenkirche. Dort findet man auch das Denkmal “Salatgurken Modernistisch” von Erich Wurm. Die Ähnlichkeit mit einem Marterpfahl der Sioux-Indianer ist durchaus gegeben.
Erstes Ziel ist der Hauptplatz mit seinen zahlreichen Bürgerhäusern aus der Zeit der Gotik, Renaissance und des Barocks. In der Mitte des Platzes steht die Dreifaltigkeitssäule, wo der kleine Egon mit seinen Mitschülern nach dem Unterricht Fangen gespielt haben soll.
Der Themenweg führt mich weiter zur Stadtpfarrkirche St Stephan mit den beiden mächtigen Türmen. Mein Blick bleibt jedoch am Westportal der Kirche hängen, dessen Pfeiler mit zwölf Reliefs verziert sind.
Die Experten streiten sich noch heute, ob es sich dabei um die Darstellung der zwölf Apostel oder von zwölf Bischöfen aus Passau handelt.
Apostel oder Bischöfe? Dem kleinen Egon ließ diese Frage kalt. Lieber jagte er mit seinen Freunden am Kirchenplatz dem Fetzenlaberl hinterher. Sehr zum Missfallen des Herrn Pfarrers.
Schaut Euch auch den Karner neben der Kirche an. Dieser wurde im Auftrag des letzten Babenbergers, dem streitbaren Friedrich, um 1240 errichtet. Das elfeckige Beinhaus zählt zu den schönsten seiner Art in Europa.
Das Innere ist mit Malereien verziert, die das Gute und Böse zeigen. Besonders die Darstellung des Teufels soll den kleinen Egon schon früh in den Bann gezogen haben.
Ich spaziere hinunter zur Donaulände, vorbei am Egon Schiele Museum und der Egon Schiele Statue.
Mein kurzer Rundgang endet am Nibelungendenkmal, das an die erste Begegnung Kriemhilds mit dem mächtigen Hunnenkönig Attila in Tulln erinnert. Die Nibelungensage ist wohl das berühmteste Heldenepos aus der Zeit des Mittelalters.
Wie in einer billigen Seifenoper dreht sich die Geschichte um Liebe, Eifersucht, Intrigen, Mord und blutiger Rache. Mit Hilfe des Hunnenkönigs will die frischgebackene Witwe Rache an den Burgundern nehmen, die ihren Mann Siegfried kaltblütig ermordet haben. Am Ende sind alle Protagonisten erdolcht, erschlagen oder in der Hochzeitsnacht gestorben.
Genug von Schiele und den Nibelungen. Zeit die erste Etappe nach Judenau in Angriff zu nehmen. Über die Tullner Au verlasse ich die Stadt und folge der “Grossen Tulln”.
Judenau
Nach gemütlichen 9 km erreiche ich die kleine Gemeinde Judenau mit seinem prächtigen Schloss und stimmungsvollen Schlossplatz. Schloss Judenau, einst im Besitz der Herbersteins und Liechtensteins wird bereits seit 1872 als Waisenhaus und Schülerinternat genutzt.
Am Tullnerfeld Radweg geht es flott dahin. Kein Hügel bremst den Kilometerschnitt. Zwischen Kukuruzfeldern windet sich die ruhige Nebenstraße mit ihren Bäumen leicht dahin. Eine Assoziation mit der Toskana drängt sich auf. Ich radle durch typische Tullnerfelder Ortschaften, wie Pixendorf, Atzelsdorf oder Michelhausen.
Rust im Tullnerfeld
Mein nächstes Ziel ist Rust im Tullnerfeld, wo 1902 der “Vater des Staatsvertrages” Leopold Figl geboren wurde.
Kein andrer kam ihm gleich, denn er soff für Österreich!
Otto Zernatto, Schriftsteller
Die Trinkfestigkeit von Figl bei den Staatsvertragsverhandlungen mit den Russen gilt als legendär. Die Legende berichtet, dass Figl den russischen Außenminister Molotow “unter den Tisch” getrunken hat und so den Weg für Österreichs Freiheit ebnete. Nach zehn Jahren Besatzungszeit konnte Figl am 15. Mai 1955 endlich stolz verkünden, “Österreich ist frei!”
Zur Schubertiade nach Atzenbrugg
Das Bild von Leopold Figl, wie er einer jubelnden Menge den unterzeichneten Staatsvertrag vom Balkon des Schlosses Belvedere zeigt, begleitet mich bis nach Atzenbrugg.
Im Schloss Atzenbrugg verbrachte der Komponist Franz Schubert mit seinen Freunden – die Schubertianer – den einen oder anderen Sommer. Zu Schuberts Freunden zählten die Maler Leopold Kupelwieser und Moritz von Schwind, sowie der Schriftsteller Eduard von Bauernfeld.
Es wurde musiziert, getanzt, gesungen und manch weibliche Unschuld geraubt. Man genoss die ländliche Idylle und die frische Landluft. Aus der Mischung von freundschaftlichen Treffen und literarisch-musikalischem Salon entwickelten sich die berühmten Schubertiaden.
Auf einem Hügel im Schlosspark entdecke ich einen kleinen barocken Gartenpavillon, den Schubert zum Komponieren genutzt haben soll.
Wer mehr über das Leben und Schaffen Franz Schuberts und seiner Freunde erfahren möchte, dem ich empfehle ich den Besuch des Schubert-Museums im Schloss.
Zwischen Atzenbrugg und Sitzenberg
Zeit sich wieder in den harten Radsattel zu schwingen. Der Radweg verläuft weiterhin flach durch Wiesen und Felder. Auch der Windgott ist mir gnädig und so rolle ich mit einer gemütlichen Trittfrequenz durch Heiligeneich, Watzendorf und Reidling.
Die vier zwiebelförmigen Türme von Schloss Sitzenberg grüßen mich schon aus der Ferne. Der Name des Schlosses lässt sich vermutlich auf “Sitz am Berg” zurückzuführen. Errichtet in der zweiten Hälfte des 16. Jhdt dient das Schloss heute als Schulgebäude.
Ahrenberger Kellergasse
Die nächste Etappe ist kurz, quasi eine Sprintetappe von knappen 1,5 km. Zu jeder guten Radtour in Niederösterreich gehört bekanntlich eine Kellergasse. Diese finde ich diesmal in Ahrenberg. Die einseitig bebaute Kellergasse mit rund 130 Weinkellern zählt zu den längsten in Niederösterreich. Da ganzjährig zumindest immer ein Heuriger geöffnet hat, der ideale Ort für eine Rast.
In der Kellergasse führt ein steiler Pfad hinauf auf den Fuchsberg, wo sich die Aussichtswarte Korkenzieher befindet. Der 360 Grad Rundblick wird überall als famos beschrieben. Ich kann es leider nicht bestätigen, da mir der steile Anstieg über den Hauersteig heute einfach zu anstrengend war. Vielleicht beim nächsten Mal.
Traismauer – Stadt der Römer und Nibelungen
Nach einer kurzen Rast in der Kellergasse von Ahrenberg pedaliere ich – was für ein schönes Wort – entlang der Tullnerfelder Bahn bis in das Zentrum von Traismauer.
Sehenswürdigkeiten von Traismauer
Der Tullnerfeld – Radweg führt mich direkt zum Wahrzeichen von Traismauer, dem mächtigen Stadttor. Die Grundmauern des imposanten Römertors stammen noch aus der Zeit der römischen Besiedelung. Nur der Dachaufbau zwischen den Türmen ist aus dem Mittelalter.
Um 60 n Chr errichteten die Römer zum Schutz der Grenze an der Donau das Reiterkastell Augustiana.
Die Reste des Kastells liegen heute unter dem mittelalterlichen Stadtkern von Traismauer begraben.
Doch wer mit offenen Augen durch Traismauer spaziert, entdeckt noch das eine oder andere Erinnerungsstück aus der Römerzeit. So findet man im Arkadenhof von Schloss Traismauer zwei römische Meilensteine und einige römische Grabsteine.
Zu den Zeitzeugen aus dieser Epoche zählt auch noch der Hungerturm, der in der Nähe des romantischen Florianiplatzes zu finden ist.
Bürgerhäusern aus der Zeit der Gotik, Renaissance und des Barocks prägen den historischen Stadtkern von Traismauer. Besonders sehenswert ist das barocke Giebelhaus am Hauptplatz 4 oder das Bürgerhaus an der Wiener Straße 5, welches einst im Besitz von Badern, Chirurgen und Wundärzten war.
Nach der Nibelungensage übernachtete Kriemhild im Schloss von Traismauer, bevor sie sich am nächsten Tag mit ihrem Gefolge auf den Weg nach Tulln machte. Ein Fresko an der Innenseite des Römertors erinnert an dieses Ereignis.
Am Donauradweg zurück nach Tulln
Es ist Zeit den Rückweg anzutreten. Ich verlasse Traismauer über die Traisenbrücke und wechsle auf den Donauradweg. Mit leichtem Rückenwind und bei absolut flacher Strecke spule ich einen Kilometer nach dem anderen ab.
Das legendäre Atomkraftwerk Zwentendorf
Nach rund 16 km lege ich einen kurzen Zwischenstopp ein. Vor mir erhebt sich ein Stück österreichischer Zeitgeschichte, ein Politikum der Sonderklasse – das Atomkraftwerk Zwentendorf.
Die Erkenntnis meines Lebens ist, dass man gegen die Atomenergie sein muss!
Bundeskanzler Bruno Kreisky, nach verlorener Abstimmung über das AKW Zwentendorf
Der Bau des AKW spaltete das Land. Als das Atomkraftwerk fertig gestellt war, ließ Bundeskanzler Bruno Kreisky, das Volk über die Inbetriebnahme abstimmen. Er war der Meinung, dass Volk entscheidet für die Atomenergie. Kreisky irrte. Eine knappe Mehrheit war dagegen, das AKW ging nie in Betrieb. Ein teurer Spass für den österreichischen Steuerzahler.
Von der größten Investitions-Ruine Österreichs sind es gerade einmal zwei Kilometer bis in das Zentrum von Zwentendorf. Ein kleiner Rundgang durch den Ort muss sein. Eine barocke Kirche, ein hübscher Pfarrhof und ein spätbarockes Schloss gibt es zu entdecken.
Ich schwinge mich wieder in den Sattel für die letzten 13 km des heutigen Tages. Der Donauradweg führt mich über Pischelsdorf und Langenschönbichl zum Ausgangspunkt in Tulln zurück.
Fazit
Das Tullnerfeld ist weit und sehr eben, ideal für eine schöne und gemütliche Radtour. Entlang des Radwegs findet der kulturinteressierte Radler zahlreiche Schmankerl. Sei es der Egon Schiele-Themenweg in Tulln, die Sommerfrische von Franz Schubert in Atzenbrugg oder die Römerspuren in Traismauer. Absolut empfehlenswert!
FOTOALBUM
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einer Radtour durch das Tullnerfeld inspirieren konnten. Noch mehr Fotos zu dieser Radtour findet Ihr im Fotoalbum unter: TULLNERFELD RADWEG
Streckenplan
Tourdaten
Radweg-Symbol: Weiße Tafel mit grünem Rand und der Aufschrift Tullnerfeld
Schwierigkeit: leicht
Strecke: ca 70 km
Highlights der Strecke:
- Gustav Klimt-Weg in Tulln
- Zu Besuch bei Franz Schubert auf Schloss Atzenbrugg
- Auf den Spuren der Römer in Traismauer
Die Radtour ist perfekt ausgeschildert!