Diese Tour führt Euch rund um den Gallitzinberg. Entdeckt dabei den schönsten Blick auf Wien, die Kuffner-Sternwarte, die einzigartige Villa Novak, sowie den größten Gemeindebau Wiens in der Zwischenkriegszeit.
Otto-Wagner-Spital am Steinhof
Wennst noch lang deppert bist, bringens di nach Stahof!
Alte Wiener Weisheit
Unsere Wanderung startet beim Haupteingang des Otto-Wagner-Spitals, leicht erreichbar mit dem Bus 48A. Das Otto-Wagner-Spital wurde 1907 als Niederösterreichische Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke »Am Steinhof« eröffnet.
Die nach dem Generalkonzept von Otto Wagner errichtete Anstalt mit ihren zahlreichen Pavillons galt zur Jahrhundertwende als die modernste und größte Psychiatrische Klinik Europas. Otto Wagner schuf am Steinhof ein Gesamtkunstwerk aus Architektur und Natur bei dem jedes Detail – von der Bodenfliese bis zum Mobiliar und den Türgriffen sorgfältig geplant war. »Den Ärmsten das Schönste!« lautete das Credo des bedeutendsten Architekten Österreichs.
Überragt wird die gesamte Spitalsanlage von der weithin sichtbaren goldenen Kuppel der »Kirche am Steinhof«. Sie gilt als Meilenstein von Otto Wagners Schaffen. Selbsternannte Kunstkritiker ließen seinerzeit kein gutes Haar am bedeutendsten sakralen Bauwerk des Wiener Jugendstils und meinten, dass die Verrückten beim Besuch dieser verrückten Kirche noch verrückter werden würden.
Gemeinsam mit den Ärzten erarbeitete Otto Wagner die speziellen Anforderungen an ein Gotteshaus in einer Irrenanstalt. So durften die Kirchenbänke wegen der Verletzungsgefahr keine scharfen Ecken haben. Kurzen Bankreihen wiederum ermöglichten ein rasches Eingreifen des Pflegepersonals im Notfall. Und um die die Ansteckungsgefahr mit Krankheiten zu verringern, ließ Wagner Weihwasserbecken mit fließendem Weihwasser installieren.
Hinweis:
Die Otto Wagner Kirche ist jeweils am Samstag von 14 bis 17 Uhr und am Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Siehe auch »JUGENDSTIL IN WIEN – EIN SPAZIERGANG ZUR OTTO WAGNER KIRCHE AM LEMONIBERG«
Kuffner-Sternwarte
Unser nächstes Ziel ist die Kuffner-Sternwarte Ecke Johann-Staud-Straße und Rolandweg. Benannt ist die Sternwarte nach Moriz von Kuffner, einem erfolgreichen Unternehmer, der den Bau in den 1880er finanzierte und errichten ließ. Der begeisterte Hobbyastronom entstammte einer reichen jüdischen Unternehmerfamilie und war der Inhaber der bis heute bestehenden Ottakringer Brauerei. Die wirtschaftliche Blüte seines Unternehmens ermöglichte Kuffner die Kunst und zahlreiche wohltätiger Organisationen zu fördern.
In seinem Palais in der Ottakringer Straße 118–120, gegenüber der Ottakringer Brauerei, traf sich einst die politische und intellektuelle Oberschicht Wiens bei zahlreichen Empfängen und Veranstaltungen. Doch dann kam das Unglücksjahr 1938. Im Jänner starb nach 47 Ehejahren seine Frau Elsa, kurz darauf – im Februar – sein ältester Sohn Ignaz. Im März erfolgte der Anschluss Österreichs an das Dritte Reich. Bedroht und enteignet von den Nazis floh Moritz von Kuffner in die Schweiz, wo er 1939 verstarb.
Hinweis:
Für alle Interessierten: Die Kuffner-Sternwarte bietet regelmäßig Führungen durch das Gebäude und Beobachtungen der Himmelskörper an. Mehr dazu unter www.kuffner-sternwarte.at.
Katharinenruhe
Wir folgen nun weiter dem Rolandweg und biegen dann anschließend rechts in die Funkengerngasse ab, wo sich bei deren Einmündung in die Gallitzinstraße die Katharinenruhe befindet. Der Name der kleinen Grünanlage erinnert an Katharina von Kuffner. Moriz von Kuffners Schwester lebte mit ihrem Mann, dem Juwelengroßhändler Moritz Nathan Oppenheim, in Frankfurt. Das Paar galt als Wohltäter und förderte nicht nur soziale Einrichtungen, sondern stiftete auch einen Lehrstuhl für Naturwissenschaften an der Universität Frankfurt am Main. Kurz nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland im Jahr 1933 begingen Katharina und ihr Mann Selbstmord, weil sie sich nicht dem NS-Terror aussetzen wollten.
Wir spazieren nun weiter durch das »Liebhartstal«, einer ruhigen Wohngegend am Fuße des Wilhelminenbergs. Prächtige Villen wechseln sich mit großen Gemeindebauanlagen und Genossenschaftssiedlungen ab. Einst betrieben hier in der näheren Umgebung viele Perlmuttdrechsler ihr Handwerk. Bevorzugter Müllplatz für ihren Perlmuttabfall war das damals noch unverbaute Liebhartstal im Bereich der Gallitzinstraße. Bei der Errichtung der Gallitzinstraße wurde der Perlmuttabfall für den Unterbau der Straße verwendet, sodass diese scherzhaft den Spitznamen »Perlmuttstraße« erhielt.
Sandleitenhof
Über die Kollburggasse, Wilhelminenstraße, Rohrergasse und Baumeistergasse erreichen wir den Sandleitenhof, der in den 1920er Jahren errichtet wurde. Mit ursprünglich 1.587 Wohnungen und bis zu 5.000 Bewohnern galt der Sandleitenhof als der größte Gemeindebau Wiens in der Zwischenkriegszeit.
Die Zwischenkriegszeit war geprägt von Wirtschaftskrisen: Unternehmen schlitterten in die Pleite, die Zahl der Arbeitslosen stieg täglich, die Hyperinflation zerstörte Existenzen, Nahrungsmittel wurden unerschwinglich und Kommunisten als auch Rechtsradikale versuchten die junge Republik zu stürzen. Dazu kam noch eine extreme Wohnungsnot, deren Bekämpfung das wichtigste Ziel des »Roten Wiens« wurde.
Unter der Devise »Ihre Fenster grüßen die Sonne« sollte der Gemeindebau den Bewohnern »die möglichst gesündesten Daseinsbedingungen« bieten. Ein revolutionärer Gedanke in einer Zeit von überfüllten Mietwohnungen mit spärlichen sanitären Einrichtungen, Notschlafstellen und Bettgehern.
Die Architekten des Sandleitenhofs, darunter zahlreiche Schüler Otto Wagners, hatten sich zur Aufgabe gemacht, eine »Stadt in der Stadt« zu errichten. So wurde bei der Planung der Wohnhausanlage auch die notwenige Infrastruktur mitberücksichtigt. Dazu zählten Geschäftslokale, eine Wäscherei, eine Apotheke, ein Kaffeehaus, ein Theatersaal, ein Kindergarten ein Postamt und eine Bücherei.
Nehmt Euch Zeit und spaziert vom zentralen Matteottiplatz, der einem italienischen Campus gleicht, durch den Sandleitenhof und bewundert die Häuser, die mit Arkaden, Erkern und Dekorelementen versehen sind. Ein Jammer sind jedoch die vielen geschlossenen Rollläden der Geschäfte, wo einst die Bewohner des Sandleitenhofes ihre Einkäufe tätigten.
Montléart-Mausoleum
Von der Ritterburg des Proletariats geht es nun weiter zum Schloss des Adels. Unser Weg verläuft nun für die nächsten 1,8 km stetig bergauf. Seinen Namen verdankt der Wilhelminenberg Fürstin Wilhelmine Montléart-Sachsen-Kurland, der einstigen Besitzerin des gleichnamigen Schlosses und großzügigen Mäzenin des ausgehenden 19. Jahrhunderts. So spendete die Fürstin 300.000 Kronen zur Errichtung des nach ihr benannten Wilhelminenspitals. Ihre letzte Ruhestätte fand die Adelige im Familienmausoleum, welches sich direkt an der Savoyenstraße, kurz vor dem Schloss Wilhelminenberg befindet.
Schloss Wilhelminenberg
Das Schloss Wilhelminenberg wurde im Jahr 1908 im Neoempire-Stil als Sitz der österreichischen Erzherzöge an Stelle des baufälligen Schlosses der Fürsten Montléart errichtet. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kam das Schloss in den Besitz der Gemeinde Wien und diente als Kinderherberge Heereslazarett und Erholungsheim. Seine schwärzeste Geschichte erlebte das Schloss in den 1960er und 1970er Jahren als es als Heim für Sonderschülerinnen genutzt wurde. Über Jahre hindurch wurden die hier untergebrachte Mädchen misshandelt, gefoltert und vergewaltigt.
Obwohl die verantwortlichen Stadträtinnen von den sexuellen Übergriffen wussten, taten sie nichts. Ganz nach dem Motto der drei Affen »Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen«. Erst im Jahr 2010 gab die Stadt Wien den Auftrag den Skandal aufzuarbeiten. Man benötigte sage und schreibe neun Jahre, bis die ersten Opfer finanziell für die erlittenen Qualen entschädigt wurden. Heute beherbergt das Schloss ein Hotel.
Predigtstuhl, Gallitzinberg oder Wilhelminenberg?
Vom Park des Schlosses habt ihr einen der schönsten und atemberaubendsten Ausblicke über Wien und die nähere Umgebung. Der Wilhelminenberg hatte im Laufe der Geschichte noch zwei weitere Namen: Predigtstuhl und Gallitzinberg bzw im Volksmund Galiziberg. Während der Name Predigtstuhl auf eine alte heidnische Kultstätte hindeutet, verdankt er seinen zweiten Namen dem russischen Botschafter in Wien, Demetrius Michailowitsch Gallitzin, der in den 1780er Jahren weite Besitzungen hier erwarb.
Die Bezeichnung Wilhelminenberg stammt von der bereits erwähnten Fürstin Wilhelmine Montléart-Sachsen-Kurland. Doch die Umbenennung von Gallitzinberg auf Wilhelminenberg verlief anfangs nicht ganz nach Wunsch der Familie Montléart, da die zuständige Behörde keinen Grund zur Namensänderung sah. Erst als die Montléarts an allen Zugängen zum Schloss Tafeln mit der Aufschrift »Wilhelminenberg« anbringen ließ, erreichten sie die Änderung des Names.
Zurück Richtung Steinhofgründe
Wir verabschieden uns von der wunderbaren Aussicht und setzen unseren Weg fort. Vorbei am Konrad Lorenz Institut für vergleichende Verhaltensforschung biegen wir kurz darauf in einen Waldweg ein, der parallel zur Savoyenstraße verläuft. Danach folgen wir der Vogeltenngasse und der Gallitzinstraße bis zur Kreuzung mit der Hertlgasse, wo wir auf eine der berühmtesten Villen Ottakrings stoßen.
Villa Novak vulgo »Ganserlburg«
Die im Jahr 1886 errichtete Villa Novak ähnelt in ihrer äußeren Form dem Schloss Miramare in Triest. Über die Entstehung des Spitznamens rankt sich folgende Geschichte. Anlässlich der Fertigstellung des Architekturjuwels veranstalteten die Eigentümer ein Fest, wo man die Nachbarn, sowie die örtliche Prominenz einlud und Gänsebraten servierten. Es gab jedoch auch Bewohner aus der Gegend, die keine Einladung zu dem rauschenden Fest erhielten und die Villa seit dieser Zeit abschätzig als »Ganserlburg« bezeichneten.
Über die Johann-Staud-Straße, den Hansl-Schmid-Weg und die Reizenpfenninggasse erreicht ihr die Sanatoriumstraße und somit den Ausgangspunkt unserer Wanderung wieder. Wir hoffen, Euch hat unsere Wanderung rund um den Wilhelminenberg gefallen und wünschen Euch viel Spaß beim »Nachwandern«.
Die Strecke
Sanatoriumstraße > Reizenpfenninggasse > Hansl-Schmid-Weg > Demuthgasse > Johann-Staud-Straße > Rolandweg > Funkengerngasse > Erdbrustgasse > Kollburggasse > Wilhelminenstraße > Rohrergasse > Baumeistergasse > Rosa-Luxemburg-Gasse > Matteottigasse > Gomperzgasse > Rosenackerstraße > Goldscheidgasse > Oberwiedenstraße > Savoyenstraße > Vogeltenngasse > Gallitzinstraße > Hertlgasse > Johann-Staud-Straße > Hansl-Schmid-Weg > Reizenpfenninggasse > Sanatoriumstraße
Länge: 8,70 km, ca 12.000 Schritte
Die Tour kann an jeder beliebigen Stelle begonnen und beendet werden.