Thomas Bernhard hasste Graz. Warum, ist uns ein Rätsel. Wir waren von Graz begeistert. Romantische Innenhöfe, kunstvoll gestaltete Hausfassaden und prächtige Bauten prägen die Grazer Altstadt. Ein Stadtspaziergang zu den Sehenswürdigkeiten und den schönsten Plätzen der Stadt.
Auf den Grazer Schloßberg in 30 Sekunden
Unser Stadtspaziergang beginnt am Grazer Schloßberg, wo wir auf das berühmteste Wahrzeichen von Graz treffen. Im Schatten, des altehrwürdigen Uhrturms genießen wir einen herrlichen Ausblick auf die Mur-Metropole. Rathaus, der markante Turm der Franziskanerkirche oder das futuristische Kunsthaus liegen uns zu Füßen.
Der Grazer Schloßberg war stets ein Bollwerk gegen feindliche Angreifer. Auch die deutsche Rechtschreibreform scheiterte am Schloßberg kläglich. Aller Regeln zum Trotz behielt er ein sein “ß”.
Den Grazer Uhrturm ist auf drei verschiedene Arten erreichbar. Die Sportlichen wählen die Treppenanlage mit rund 260 Stufen. Kriegsgefangene des ersten Weltkrieges sprengten diese in den Fels.
Die Nostalgiker erklimmen mit der Schloßbergbahn den Schloßberg. Die Futuristen – und wir – entscheiden sich für den gläsernen Schlossberglift im Berginneren, der uns in 30 Sekunden nach oben bringt.
Am Grazer Schlossberg stand einst die mächtige Grazer Burg, die allen feindlichen Angriffen standhielt. Erst Napoleon gelang es im Jahr 1809 die “stärkste Festung aller Zeiten” zu zerstören. Nur der Uhrturm und der Glockenturm blieben erhalten.
Rebellische Hausherrn und der schönste Renaissance-Hof
Wir verabschieden uns vom Uhrturm und spazieren vom Schloßberg zurück in die Herrengasse, dem Zentrum der Grazer Altstadt.
Das Luegghaus, mit seiner reich verzierten Stuckfassade und den schönen Laubengängen, fällt uns gleich ins Auge. Der Spitzname entstand, weil die Bewohner der Stadt an dieser Stelle stets “ums Eck in die Sporgasse lugten”.
Ebenso beeindruckend ist das “Gemalte Haus” mit seiner barocken Bemalung. Dargestellt werden Szenen der griechischen Mythologie.
Das wahre Highlight in der Herrengasse ist ein Prachtbau eines gewissen Domenico dell’Allio. Als Festungsbauer in die Stadt geholt, errichtete er für die Grazer das schönste Renaissancegebäude der Stadt, das Landhaus.
Besonders der Innenhof mit seinen dreistöckigen und verspielt wirkenden Arkadengängen versetzt uns in Begeisterung.
Begeistert waren auch die reichen Bürger der Stadt. Wer “trendy” und “en vogue” war, ließ sich einen Innenhof mit Arkaden errichten.
Einige dieser gut versteckten Kleinode – wie der Arkadenhof im Haus des Deutschen Ritterordens – lassen sich noch heute besichtigen.
Insgesamt existieren in der Grazer Altstadt noch rund 50 Innenhöfe aus der Zeit der Renaissance.
Der Hauptplatz ist das pulsierende Herz der Stadt. Im Minutentakt spucken laut klingelnde Straßenbahnen neue Passanten aus. Man wartet auf Freunde, trifft alte Bekannte oder geht shoppen. Zahlreiche Marktstände locken mit Würstel oder kalten Getränken. Maronistände haben im Herbst Hochsaison. Im Gegensatz zu Wien werden hier Maroni nicht nach Stück, sondern im Viertelliter-Stanitzel verkauft.
Dominiert wird der Hauptplatz vom mächtigen Rathaus mit seiner späthistoristischen Fassade. Als das Rathaus Ende des 19. Jhdts neu errichtet wurde, riss man alle Häuser ab, die im Weg standen. Alle Häuser? Nein!
Drei unbeugsame Hausherrn hörten nicht auf, gegen den Abrissbescheid Widerstand zu leisten. Diese steirische Sturheit führte zum Erfolg. Das Rathaus musste um die drei schmalen Bürgerhäuser herumgebaut werden.
Schneemänner, Krummschwerter und ein Grabmal
Unser Rundgang führt uns in die Sporgasse, wo südlich anmutende Atmosphäre herrscht. Grazer und Touristen drängen sich durch die schmale Gasse. Straßenmusiker spüren den Blues und geben ihr Bestes. Ein Trauerzug von schwarzgekleideten Studenten trägt symbolisch unter den Klängen von “Time to Say Goodbye” die Sozialleistungen zu Grabe.
Mitglieder der Bettlermafia humpeln mitleidheischend auf viel zu kurzen Krücken herum und wünschen “Alles Gute” oder sonstiges. Mir fällt das bitterböse “Krüppellied” vom Qualtinger und Heller ein.
Beim Palais Saurau erwartet uns der berühmteste Türke der Stadt. Alle, die sich jetzt auf “in Fladenbrot versteckte Fleischreste” (© Egyd Gstättner) zur Stärkung freuen, muss ich enttäuschen. Bei diesem Türken handelt es sich um eine Gipsfigur, die bedrohlich mit einem Krummschwert aus einer Luke im Dachgesims blickt. Dazu gibt es folgende Legende.
1532 belagerten die Türken die Stadt Graz. Der türkische Pascha Ibrahim erkor das Palais Saurau als Hauptquartier. Eines Tages gab es köstlichen Hammelbraten zu Mittag. Als der Pascha danach griff, traf eine Kanonenkugel die Bratenschüssel und der Braten wurde durch das Fenster auf die Gasse geschleudert. Ein Wächter versuchte das Stück Fleisch noch zu retten, blieb aber in der Luke stecken.
Wir gehen in die Bürgergasse, dem geistlichen Zentrum von Graz. Hinter den dicken Mauern des Jesuitenkollegiums verbirgt sich der größte Renaissance-Hof der Stadt. Kaiser Friedrich II hatte die Jesuiten nach Graz geholt, um den protestantischen Spuk ein Ende zu setzen. Seine Härte gegen die protestantische Bevölkerung senkte seinen Beliebtheitsgrad gegen Null.
Der Innenhof birgt eine kleine Überraschung in sich. Hier steht auch bei +30° ein kleiner Schneemann. Fast verloren wirkt er in dem 1.300 m² großen Renaissance-Hof. Der Künstler Manfred Erjautz schuf den Schneemann aus Marmor und stellt ein “Symbol des Vergänglichen” dar.
Mit Vergänglichkeit hat auch das nächste Ziel zu tun. Ein imposantes Grabmal für die Ewigkeit ließ sich Kaiser Friedrich II neben dem Grazer Dom schaffen. Die letzte Ruhestätte des Kaisers mit seiner verspielten und italienisch wirkenden Fassade ist das größte und prächtigste Mausoleum eines Habsburgers.
Ein Hauch von Mystik umgibt dieses prächtige archetiktonische Ensemble. Die Pracht setzt sich im Inneren des Mausolums fort. Decke und Kuppel sind mit zahlreichen Gemälden verziert.
Einem gewieften Geschäftsmann verdankt Graz das berühmte Grazer Glockenspiel. Um den Umsatz in seiner Weinhandlung anzukurbeln ließ Gottfried Maurer 1884 das Glockenspiel im Giebel des Hauses errichten. Zur Musik eines Landlers tanzt ein fesches Trachtenpärchen und prostet dabei dem staunenden Publikum auf der Straße zu.
Wir werfen noch schnell einen Blick in den Innenhof und das Deckenfresko im Palais Herberstein, bevor wir zur Murpromenade spazieren.
Von Austern und Außerirdischen
Über einen Steg erreichen wir die nach einem Entwurf des New Yorker Künstlers Vito Acconci errichtete Murinsel. Sie erinnert uns an eine riesige Muschel.
Die Murinsel ist bei Tag und Nacht einen Besuch wert. Nachts tauchen Scheinwerfer die Insel in ein buntes Farbenspiel.
Sind hier die kleinen grünen Männchen vom Mars mit einem UFO gelandet? Das Grazer Kunstthaus erweckt ganz den Anschein.
Die Architekten Peter Cook und Colin Fournier planten im jahr 2003 das als “Friendly Alien” oder “Schwangere Auster” bezeichnete Kunsthaus. Murinsel und Kunsthaus sind spannende architektonische Projekte, aber leider fehlt ihnen die Patina der Geschichte. Aber, die kommt ja vielleicht noch.
FOTOALBUM
Wir hoffen, dass wir Euch mit unseren Tipps zu einem Ausflug nach Graz inspirieren konnten. Noch mehr Fotos aus der steirischen Hauptstadt findet Ihr im Fotoalbum unter: GRAZ –VERSTECKTE WINKEL, ROMANTISCHE INNENHÖFE UND EIN FRIENDLY ALIEN